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Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden

Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden

Titel: Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden
Autoren: V.C. Andrews
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so viel zu besitzen, wenn ich daran dachte, wie arm meine Familie und ich in den Willies gewesen waren.« In ihren blauen Augen lag plötzlich eine unbeirrbare Entschlossenheit. »Aber ich habe schnell gelernt, daß die Reichen nicht mehr wert sind als die Armen, wenn es darum geht, die wertvollsten und schönsten Dinge zu genießen, die dieses Leben zu bieten hat. Glaube nie, daß du besser bist als die anderen, weil du in einer privilegierten Umgebung aufgewachsen bist«, fuhr sie mit einer Heftigkeit fort, die verriet, daß sie an ihre eigenen schmerzvollen Erfahrungen dachte. »Die Reichen werden oft von ebenso niederen Motiven getrieben wie die Ausgestoßenen und die Armen. Vielleicht sogar noch mehr als die Armen«, fügte sie hinzu, »denn sie haben mehr Muße, sich in ihre Verrücktheiten zu verrennen.«
    »Hast du das in Farthinggale gelernt?« fragte ich behutsam und hoffte, daß sie mir heute endlich all die dunklen Geheimnisse enthüllen würde.
    »Ja«, murmelte sie. Ich wartete atemlos darauf, daß sie mir mehr erzählen würde, aber dann schlug in ihr irgendeine Tür zu, und sie tauchte plötzlich wieder aus dem Strudel der Erinnerungen auf. Ihre Augen wurden noch größer und strahlender, als würde sie gerade aus einer Hypnose erwachen. »Aber laß uns nicht über so unangenehme Dinge reden. Nicht ausgerechnet an diesem Tag, mein Liebling.« Sie beugte sich zu mir herüber und küßte mich auf die Wange; dann legte sie das Diamantkollier und die Ohrringe in meine Hände. »Es ist Zeit, daß ich sie an dich weitergebe. Natürlich könnte es sein, daß ich dich von Zeit zu Zeit bitte, sie mir zu borgen.«
    Wir lachten beide, und sie nahm mich in den Arm.
    »Ich bringe sie nur rasch in mein Zimmer, und dann gehe ich nach unten«, sagte ich, als ich mich aus ihrer Umarmung löste. »Ich möchte mit Luke eine Probefahrt in meinem neuen Auto machen.«
    »Vergiß Drake nicht. Er freut sich darauf, Annie.« Mutter lag immer sehr an meiner Verbundenheit mit Drake.
    »Aber es gibt doch nur zwei Sitze«, rief ich bestürzt aus. Ich würde zwischen den beiden wählen müssen und in Gefahr laufen, dabei die Gefühle eines der beiden zu verletzen.
    »Drake ist extra wegen deines Geburtstags den weiten Weg vom College hierhergekommen, Annie. Er hat diese Anstrengung für dich auf sich genommen. Luke ist immer hier, und du verbringst ohnehin zuviel Zeit mit ihm. Mir ist aufgefallen, daß du schon seit Monaten keine Verabredung mehr hattest. Die anderen Jungen in der Stadt fühlen sich mittlerweile sicher entmutigt.«
    »Die Jungen in meiner Klasse sind dumm und unreif. Alles, was sie interessiert, ist, irgendwo hinzugehen und sich zu betrinken, um so ihre Männlichkeit zu beweisen. Mit Luke kann ich wenigstens ein intelligentes Gespräch führen«, wandte ich ein und bemerkte, daß ich fast weinte.
    »Trotzdem, Annie«, sagte sie und schlug die Augen nieder, »es ist nicht gesund.« Ihre Worte prasselten auf mich nieder wie kalte Regentropfen, denn ich wußte, daß sie recht hatte. Ich nickte und versuchte, das Zittern in meiner Stimme zu verbergen.
    »Er tut mir leid.«
    »Ich weiß, aber bald wird er auch aufs College gehen und sein eigenes Leben beginnen, und du wirst durch Europa reisen und andere Leute kennenlernen. Außerdem hat seine Mutter genug Geld für ihn, er ist sehr intelligent, und er wird bei der Schulabschlußfeier die Rede halten. Es gibt keinen Grund, Luke zu bemitleiden. Außerdem«, sagte meine Mutter lächelnd, »würde er sich dagegen wehren, wenn er es wüßte.«
    »O bitte, erzähl ihm nie, daß ich das gesagt habe.«
    »So etwas würde ich nie tun, Annie. Glaubst du etwa, ich wüßte nicht, was er in all diesen Jahren durchgemacht hat? Darum bewundere ich ihn auch, weil er es trotzdem so weit gebracht hat«, schloß sie und strich über mein Haar. »So, nun geh und bring deine Diamanten weg. Und dann lädst du Drake zu einer Probefahrt ein und anschließend Luke. Heute darf es keine Tränen geben. Ich verbiete es. Ich würde sogar bis zum Bürgermeister von Winnerrow gehen und eine einstweilige Verfügung dagegen erwirken«, sagte sie und lachte. Trotz meines Kummers lächelte ich. »Ich danke dir, daß du so wundervoll zu mir bist«, sagte ich.
    »Ich könnte gar nicht anders sein, mein Liebling, dazu liebe ich dich zu sehr.«
    Sie küßte mich noch einmal, und dann eilte ich davon, um die Diamanten in meinem Schmuckkasten zu verwahren. Als ich nach unten kam, waren mein Vater, Luke und
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