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Brigitta

Brigitta

Titel: Brigitta
Autoren: Adalbert Stifter
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hatte, hatte an seinem Halse geweint. Nun hob sie, noch in Thränen schimmernd, die Augen - und so herrlich ist das Schönste, was der arme, fehlende Mensch hienieden vermag, das Verzeihen - daß mir ihre Züge wie in unnachahmlicher Schönheit strahlten und mein Gemüth in tiefer Rührung schwamm.
    »Arme, arme Gattin,« sagte er beklommen, »fünfzehn Jahre mußte ich dich entbehren und fünfzehn Jahre warst du geopfert.«
    Sie aber faltete die Hände, und sagte bittend in sein Antlitz blickend: »Ich habe gefehlt, verzeihe mir, Stephan, die Sünde des Stolzes - ich habe nicht geahnt, wie gut du seist - es war ja blos natürlich, es ist ein sanftes Gesetz der Schönheit, das uns ziehet.« - -
    Er hielt ihr den Mund zu, und sagte: »Wie kannst du nur so reden, Brigitta - ja, es zieht uns das Gesetz der Schönheit, aber ich mußte die ganze Welt durchziehen, bis ich lernte, daß sie im Herzen liegt, und daß ich sie daheim gelassen in einem Herzen, das es einzig gut mit mir gemeint hat, das fest und treu ist, das ich verloren glaubte, und das doch durch alle Jahre und Länder mit mir gezogen. - O Brigitta, Mutter meines Kindes! du standest Tag und Nacht vor meinen Augen.«
    »Ich war dir nicht verloren,« antwortete sie, »ich habe traurige, reuevolle Jahre verlebt! - Wie bist du gut geworden, jetzt kenne ich dich, wie bist du gut geworden, Stephan!«
    Und wieder stürzten sie sich in die Arme, als könnten sie sich nicht ersättigen, als könnten sie an das gewonnene Glück nicht glauben. Sie waren wie zwei Menschen, von denen eine große Last genommen ist. Die Welt stand wieder offen. Eine Freude, wie man sie nur an Kindern findet, war an ihnen - in dem Augenblicke waren sie auch unschuldig, wie die Kinder; denn die reinigendste, die allerschönste Blume der Liebe, aber nur der höchsten Liebe, ist das Verzeihen, darum wird es auch immer an Gott gefunden und an Müttern. Schöne Herzen thun es öfter - schlechte nie.
    Die zwei Gatten hatten mich wieder vergessen und wandten sich in das Krankenzimmer, wo Gustav, der das Ganze dunkel ahnte, wie eine glühende, blühende Rose lag, und ihnen athemlos entgegen harrte.
    »Gustav, Gustav, er ist dein Vater, und du hast es nicht gewußt,« rief Brigitta, als sie über die Schwelle in das verdunkelte Zimmer traten.
    Ich aber ging in den Garten hinaus, und dachte: »O wie heilig, o wie heilig, muß die Gattenliebe sein, und wie arm bist du, der du von ihr bisher nichts erkanntest, und das Herz nur höchstens von der trüben Lohe der Leidenschaft ergreifen ließest.« - -
    Erst spät ging ich in das Schloß zurück, und fand alles gelöset und gelüftet. Geschäftige Freude, wie heiterer Sonnenschein, wehte durch alle Zimmer. Man empfing mich mit offenen Armen als Zeugen des schönsten Auftrittes. Man hatte mich schon allenthalben suchen lassen, da ich ihnen, als sie zu sehr mit sich beschäftigt waren, aus den Augen gekommen war. Sie erzählten mir theils gleich in abgebrochenen Sätzen, theils die folgenden Tage im Zusammenhange alles, was sich zugetragen hatte, und was ich oben angemerkt habe.
    Mein Reisefreund war also Stephan Murai gewesen. Er war unter dem Namen Bathori, der einem seiner weiblichen Vorfahren gehörte, gereiset. So hatte ich ihn auch gekannt, aber er ließ sich immer Major nennen, welchen Rang er in Spanien erworben hatte, und alle Welt nannte ihn auch den Major. Da er in der ganzen Welt gewesen war, ging er, von seinem Innern gezogen, unter demselben Namen nach dem wüsten Sitze Uwar, wo er nie gewesen war, wo ihn niemand kannte, und wo er, wie er recht gut wußte, der Nachbar seines getrennten Weibes werden würde. Gleichwohl kam er nicht zu ihr hinüber, die schon so schön auf Marosheli waltete, bis der Ruf die Kunde ihrer Todeskrankheit zu ihm trug. Da machte er sich auf, ritt hinüber, trat zu ihr, die ihn vor Fieber nicht kannte, blieb Tag und Nacht bei ihrem Bette, wachte über sie, und pflegte sie, bis sie genas. Damals durch den gegenseitigen Anblick gerührt, und von leiser Liebe getrieben, aber dennoch ängstlich vor der Zukunft, weil sie sich nicht kannten, und weil sich wieder etwas Fürchterliches zutragen könnte, schlossen sie jenen seltsamen Vertrag der bloßen Freundschaft, den sie Jahre lang hielten, und den bisher keines zuerst anzurühren wagte, bis ihn das Geschick durch einen scharfen Schnitt, den es in beider Herzen that, trennte, und zu dem schöneren natürlicheren Bunde wieder zusammen fügte.
    Alles war nun gut.
    Nach
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