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Bollinger und die Barbaren

Titel: Bollinger und die Barbaren
Autoren: Wolfgang Brenner
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angestachelt
     hatte. Sie küsste mein Gesicht ab, zog mich immer fester an sich, griff mir fordernd in den Schritt und verlangte, ich solle
     die ganze Nacht nicht von ihr lassen.
    Sie riss mich mit. Bald war der Bürgermeister vergessen, und |211| Lottes drängende Küsse taten ihren Teil. Irgendwann zwang ich sie auf den Rücken und war auch gleich über ihr. Lotte stöhnte
     und spreizte die Schenkel. Ich schaute mir das Tier, das ich erlegt hatte, noch einen Moment lang an, bevor ich es verschlang.
    Da läutete das Telefon. Ich hielt in der Bewegung inne. Als würde es etwas nützen, wenn ich mich tot stellte.
    »Mach weiter!«, flehte sie. »Mach weiter!«
    Das Telefon läutete immer noch.
    »Geh nicht ran! Tu mir das nicht an! Geh nicht ran!«
    Ich spürte alle Kraft aus meinem Körper weichen. Als wäre sie ein Dämon, den ein Fluch vertrieben hat.
    »Es könnte Miller sein. Er ist hinter den Hagenaus her. Vielleicht tut sich was. Das ist wichtig. Auch für deinen Mann.«
    Lottes Fingernägel krallten sich in meine Schultern. »Vergiss Pierre, wenn wir uns so nahe sind wie jetzt. Geh nicht ran!«
    Ich war mir sicher, dass es Miller war. Wer sonst sollte um diese Zeit noch anrufen? Ja, ich glaubte es schon an der Art des
     Läutens zu erkennen, wie wichtig, wie dringend es war.
    Ich löste mich von Lotte. Sie gab einen gequälten Ton von sich und drehte sich weg. Nun war es sowieso egal, ich ging in den
     Liegestütz, sah mein durch die Störung erbärmlich gewordenes Geschlecht baumeln und kletterte umsichtig wie eine Spinne aus
     dem Bett.
    Ich meldete mich vergrätzt. Mein Kollege sollte wissen, dass ich auch ein Privatleben hatte.
    »Hallo«, sagte eine zarte Stimme. »Hier ist Agneta. Erinnern Sie sich an mich?«
    Ein Stromschlag durchfuhr meinen Körper. Ich bekam gleichzeitig Gänsehaut und Fieber. Agneta. Ausgerechnet jetzt. Ich schaute
     zum Bett hinüber. Lotte starrte die Wand an.
    »Ich wollte mich bloß bedanken. Dafür, dass Sie sich so um mich gekümmert haben.«
    »Nicht der Rede wert«, sagte ich leise. Lotte hob ihren Kopf.
    »Doch, doch! Ohne Sie wäre ich immer noch bei den Hagenaus. Ich habe Ihnen viel zu verdanken. Sie haben den Anstoß |212| gegeben, indem Sie sich so für meine Zukunft eingesetzt haben. Wenn Sie nicht gewesen wären – ich glaube, ich würde den Hagenaus
     weiter die Unterhosen waschen. Jetzt habe ich die Chance meines Lebens. Herr Schwierz glaubt, ich habe Talent ...«
    »Das haben Sie zweifellos, aber Sie müssen Geduld haben ...« »Ich werde eine Hauptrolle in seinem neuen Musical spielen. Weil
     ich der Leschinski so ähnlich sehe. Glauben Sie, ich kann das?«
    »Ich traue Ihnen einiges zu, aber ...«
    Lotte richtete sich auf. Sie hatte mitbekommen, dass das nicht Alain Miller war. Ich versuchte, mich so allgemein wie möglich
     zu äußern.
    »Ich an Ihrer Stelle würde mir so einen Schritt reiflich überlegen. Wollen Sie vorher nicht doch noch in Ruhe mit mir reden?«
    »Adieu«, sagte Agneta. »Und danke für alles. Ich werde Sie nie vergessen.«
    Ich glaubte, sie weinen zu hören, als sie auflegte. Ich ging zum Bett zurück und legte mich zu Lotte. Ich streichelte sie.
     Ihre Haut war kalt geworden. Sie reagierte nicht. Ich drückte mich an sie, sie ließ es willenlos geschehen.
    »Sieh mal, ich bin schon wieder so weit!«, hauchte ich ihr ins Ohr.
    Lotte drehte sich um und stieß mich dabei sanft von sich weg. Sie setzte sich auf.
    »Jetzt will ich wissen, was mit dieser Agneta ist! Hast du was mit der? Willst du mit ihr fortgehen? Ich habe ein Recht darauf,
     es zu erfahren! So kannst du nicht mit mir umspringen. Das wird mein Mann nicht dulden.«

|213| 17. KAPITEL
    I n aller Frühe fuhr schon eine kleine Armada auf. Ein Tieflader karrte die Bestandteile einer mobilen Showbühne heran, von
     einem Kastenwagen wurden mannshohe Lautsprecherboxen abgeladen. Silbergraue Werkstattwagen einer Filmproduktionsfirma aus
     Frankfurt erschienen auf dem sonst so ruhigen Marktplatz von Schauren. Techniker stiegen lärmend aus. Überall läuteten Handys,
     überall wurde herumgebrüllt.
    Um zehn Uhr hämmerten schon die Bässe über die Hochebene. Die Tontechniker verursachten beim Aufbau der Musikanlage Rückkopplungen,
     die bis hinaus auf die Felder zu hören waren. Die Pferde auf den Äckern hoben die Köpfe und schnaubten erschrocken. Auf den
     umliegenden Gehöften jaulten die Hofhunde.
    Über das sonst so stille Schauren erhob sich ein vielstimmiges Oratorium aus
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