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Blade 02 - Nachtklinge

Blade 02 - Nachtklinge

Titel: Blade 02 - Nachtklinge
Autoren: Jon Courtenay Grimwood
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auch schon in einer gewaltigen Explosion. Bunte Glasscheiben splitterten aus den Rahmen. Türen schlugen auf. Ziegelsteinwände brachen zusammen, Schindeln rasselten vom Dach. Eine unheilvolle Stille trat ein, dann fauchten mächtige Feuergarben durch die Fenster, und entsetzliche Schreie schwollen in der Dunkelheit zu einem Schmerzenschor an.
    Prinzessin Giulietta bekreuzigte sich.
    Der Speisesaal hielt dem Feuer nur kurz stand, bis er in der Feuersbrunst des darunterliegenden Weinkellers versank. Flammensäulen loderten auf. Tycho zog sein Schwert und stellte sich vor Giulietta. Er musste sie beschützen und dafür sorgen, dass sie und ihr Kind heil von dieser Insel kamen.
    Neben der Kornkammer befand sich ein Bogengang, der Zugang war verschlossen. Er musste jemanden finden, der den Schlüssel hatte.
    »Das war Schießpulver«, knurrte Atilo.
    »Wie konntest du das vorausahnen?«, fragte Giulietta und sah Tycho seltsam an. Als habe ihre Rettung mit dem Sühnen einer Schuld zu tun. Als habe er ihr nach dem Leben getrachtet. Offensichtlich vertraute sie ihm weniger denn je.
    Ich habe den Tod in deinem Gesicht gesehen.
    Roderigos Wachtmeister stand in der Tür, und ich habe den Tod in deinem Gesicht gesehen, in dem deines Kindes und in den Gesichtern aller anderen.
    »Ich habe es einfach gewusst«, erwiderte Tycho.
    Eine Antwort, die sie keineswegs zufriedenstellte.
    Er hielt vergeblich nach Verwundeten Ausschau. Die wenigen, die diese gewaltige Explosion überlebt hatten, würden in dem dicken Rauch ersticken. Schwere ölige Schwaden stiegen auf. Es stank nach verkohltem Fleisch und brennenden Ziegeln.
    »Bei allen Göttern, Prinzessin …« Eine laute Stimme erklang aus dem Bogengang, dessen Tor nun offen stand. Graf Roderigo verbeugte sich vor Giulietta und nickte Atilo il Mauros und Desdaio zu. Tycho würdigte er keines Blickes.
    »Seid Ihr unverletzt?«
    Giulietta nickte zaghaft.
    »Wir bringen Euch sofort von dieser Insel weg.«
    »Mit Euch geht sie nirgendwohin.«
    Roderigos Augen verengten sich zu Schlitzen. Tycho war der Einzige, der es in der nächtlichen Dunkelheit wahrnehmen konnte. Der Hauptmann hatte sein Schwert schon fast aus der Scheide gerissen, als Atilo vor ihn trat. »Steckt das Schwert weg.«
    Graf Roderigo schüttelte den Kopf.
    »Wenn Ihr es nicht tut«, sagte Atilo knapp, »wird Tycho Euch töten.«
    »Darauf lasse ich es ankommen.«
    »Nein«, sagte Giulietta. »Zumindest nicht, bevor Ihr dem Regenten und meiner Tante erklärt habt, wieso Ihr das Bankett rechtzeitig verlassen habt und woher Tycho von dem Anschlag wusste. Dann steht es Euch frei, Euch gegenseitig umzubringen.«

3
    D er Palast der Millioni mit seinen eleganten Kolonnaden und der creme- und rosafarbenen Marmorfassade direkt an der Lagune gehörte zu den prächtigsten in Europa.
    Er bestand aus vielen kleinen Teilen anderer Gebäude, die man als Beute von zahllosen Raubzügen im Mittelmeerraum hierhergebracht hatte. Dasselbe galt für die gesamte Geschichte jener Stadt, die Dogaressa Alexa vor vielen Jahren zu ihrer zweiten Heimat gemacht hatte.
    Ihr Schlafgemach lag im ersten Stock, wo sich auch die anderen Räume der Familie befanden: die Zimmer ihres Sohnes Marco, des Regenten Prinz Alonzo und der Gräfin Eleanor, die Giuliettas Zofe gewesen war, bevor die Prinzessin verschwand.
    Alexas Lieblingszimmer lag indes ein Stockwerk höher.
    In das blaue Studierzimmer pflegte sie sich gern zurückzuziehen, um ungestört nachzudenken oder jene unauffällige Magie auszuüben, von der die Bediensteten einander flüsternd berichteten. Niemand wusste allerdings, ob etwas Wahres daran war oder nicht, und niemand wagte, laut darüber zu reden. Ein unbedachtes Wort, und man riskierte eine Vorladung vor den Rat der Zehn.
    Alexa verzog finster das Gesicht über das, was sie gerade gesehen hatte. Dann strichen ihre Finger sanft über die mit Wasser gefüllte Schale aus Jade. Das Abbild des brennenden Klosters verwandelte sich in einen Farbwirbel, der langsam verblasste wie verdünnte Tinte.
    Sie hatte genug gesehen.
    Das Wahrsageinstrument aus Speckjade war älter als das alte China. Timur der Große – den manche auch Tamerlan nannten – hatte es ihr vor einigen Monaten zum Dank für einen ihrer Berichte schicken lassen. Ein kostbares Geschenk, das vom geradezu besorgniserregenden Respekt des Khans zeugte. Aber vielleicht war die Gabe auch ein Zeichen dafür, dass er verstand, wie schwierig ihre Stellung als Mutter des Dogen von Venedig
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