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Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Titel: Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
Autoren: Marian Keyes
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anstrengend – so wie die anderer Menschen auch. Eigentlich deutet schon die Bezeichnung »Arbeit« darauf hin. Schließlich sagt man nicht: »Entspannung auf einem Liegestuhl« oder »Anwendung von Tiefenmassage«. Ich »arbeitete« in einem Anwaltsbüro, das geschäftlich viel mit den Staaten zu tun hatte, insbesondere mit der Unterhaltungsindustrie. (Nachdem wir geheiratet hatten, wurde Garv aufgrund seiner enormen Talente von seiner Firma für fünf Jahre in die Dependance nach Chicago geschickt. Ich habe in der Zeit in einer der großen Anwaltskanzleien gearbeitet. Als wir vor drei Jahren wieder nach Irland kamen, gab ich an, mich mit den Gesetzen der amerikanischen Unterhaltungsindustrie auszukennen. Das Problem war nur, dass ich zwar Abendkurse besucht und mich weiter qualifiziert hatte, aber trotzdem keine voll ausgebildete Juristin war. Das hatte zur Folge, dass auf meinem Schreibtisch tonnenweise Arbeit und jede Menge Beschwerden landeten, ich aber nur einen Bruchteil der Kohle kriegte.
Eigentlich war ich eher so etwas wie eine Dolmetscherin; eine Klausel konnte in Irland etwas anderes als in den Staaten bedeuten, und ich übertrug US-Verträge auf die irische Gesetzeslage und setzte Verträge auf, die – so hoffte ich – in beiden Rechtsprechungssystemen Bestand hatten.)
    Ich lebte in unbestimmter, aber ständiger Angst. Manchmal träumte ich, dass ich eine wesentliche Klausel ausgelassen hatte und meine Firma Schadensersatz in Höhe von vier Trillionen Dollar bezahlen musste, die mir in Raten von sieben Pfund fünfzig pro Woche vom Gehalt abgezogen wurden, und ich musste bis in alle Ewigkeit dort arbeiten, um die Summe zurückzuzahlen. Manchmal kam es in solchen Träumen auch vor, dass mir sämtliche Zähne ausfielen. Und manchmal saß ich im Traum im Büro, stellte fest, dass ich nackt war, und musste aufstehen, weil ich etwas zu kopieren hatte.
     
    Jedenfalls hatte ich an dem Tag, als alles den Bach runterging, sehr viel zu tun. So viel, dass ich sogar auf meinen Fitness-Plan verzichtet hatte. Mir war nämlich vor einiger Zeit aufgefallen, dass das Fingernägelknabbern die einzige sportliche Betätigung war, die ich ausübte, und deswegen hatte ich einen schlauen Plan ausgeheckt: Statt Sandra, meine Assistentin, zu rufen, damit sie sich meine Diktafonbänder bei mir abholte, ging ich die zwanzig Meter zu ihrem Büro und händigte sie ihr persönlich aus. Doch an jenem Tag hatte ich keine Zeit für solche Spielereien. Ein Abschluss mit einer Filmproduktionsfirma war im Begriff zu platzen, weil der Schauspieler, der sich zu dem Projekt verpflichtet hatte, auszusteigen drohte, wenn der Vertrag nicht binnen einer Woche unterzeichnet würde.
    (Fast könnte man den Eindruck gewinnen, dass meine Arbeit glanzumwoben war, aber ich kann aufrichtig sagen: Sie war so glanzumwoben wie eine Frostbeule. Selbst die gelegentlichen Geschäftsessen in teuren Restaurants waren nicht besonders aufregend. Man konnte sich nie richtig entspannen, immer stellte jemand gerade dann eine Frage, die eine lange, detaillierte Antwort erforderte, wenn ich einen Bissen in den Mund gesteckt hatte.)
    Der Drehbuchschreiber – mein Mandant – wollte den Vertrag
unbedingt unter Dach und Fach bringen, damit er sein Honorar kassieren und seiner Familie zu essen geben konnte. (Und damit sein Vater endlich Grund hatte, stolz auf ihn zu sein. Aber ich schweife ab.) Die amerikanischen Anwälte waren um drei Uhr morgens ihrer Zeit zur Stelle, um den Vertrag abzuschließen, und den ganzen Tag gingen E-Mails und Telefongespräche hin und her. Am späten Nachmittag kriegte das letzte »i« seinen Punkt und das letzte »t« seinen Querbalken, und obwohl ich am Rande des Zusammenbruchs stand, war ich doch erleichtert und glücklich.
    Dann fiel mir wieder ein, dass wir geplant hatten, mit Liam und Elaine auszugehen, und eine Wolke schob sich vor die Sonne. So schlimm war es auch wieder nicht, tröstete ich mich, wenigstens würde es ein gutes Essen geben, denn die beiden gingen gern in schicke Restaurants. Aber andererseits konnte ich einfach nicht mehr! Wenn doch bloß wir damit dran wären abzusagen!
    Und gerade als ich die Hoffnung schon ganz aufgegeben hatte, kam der Anruf.
    »Liam hat sich den Zeh gebrochen«, sagte Garv. »Ihm ist sein neuer Flachbildschirm-Fernsehapparat draufgefallen.« (Liam und Elaine besaßen jedes in der Männerwelt existierende elektronische Gerät – und ich meine Männerwelt, nicht Frauenwelt. Ich war schon
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