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Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)
Autoren: David Gilmour
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konnten, oder mit den Flotten der Weltmächte Spanien und Portugal. Knappes Eichenholz für Schiffsrümpfe war ein Dauerproblem. Die Venezianer holzten die Wälder Dalmatiens für ihre Schiffe ab, für die Millionen Pfähle, die sie für die Fundamente ihrer Häuser brauchten, und für die vielen tausend briccole , das sind wie bei einem Wigwam zusammengebundene Pfähle, die aus den Kanälen der Lagune herausragen und den Verlauf der schiffbaren Passagen markieren. Diese Holzbestände waren irgendwann erschöpft. Zur Zeit ihres triumphalen Siegs gegen die Türken in der Seeschlacht von Lepanto 1571 musste die Republik Venedig nicht nur Schiffsrümpfe, sondern ganze Schiffe in den Niederlanden kaufen.
    Zum heutigen Straßenbild Neapels gehören die Restaurants am Meer und die Menschen, die frutti di mare genießen. Aber die Italiener waren nie große Fischesser, am wenigsten im Norden, wo man traditionell dem Süßwasserfisch gegenüber Meeresfisch den Vorzug gab. In der Antike gönnten sich römische Plutokraten den Luxus privater Fischteiche, während im Mittelalter die Bewohner Ferraras die nahe gelegene Adria ignorierten und lieber in Flüssen und Seen Hechte, Schleien und Karpfen angelten. Francesco di MarcoDatini, der berühmte »Kaufmann von Prato«, importierte Aale aus der Lagune von Comacchio nördlich von Ravenna in den toskanischen Apennin. *5 Als nach dem Wirtschaftsaufschwung der 1960er Jahre die Armen sich mehr als nur Brot, Polenta, Nudeln und Suppe leisten konnten, kauften sie lieber Fleisch als Fisch. Zwischen 1960 und 1975 verdreifachte sich ihr Fleischkonsum, und dieser Trend verstärkte sich, als die katholische Kirche das Fleischverbot am Freitag lockerte. Ende des 20. Jahrhunderts konsumierten die Italiener mehr Fleisch als die Briten und weniger Fisch als der europäische Durchschnitt.
    Der Fischfang vor der italienischen Küste war schon immer ein saisonal beschränktes und unberechenbares Unternehmen. Traditionell wurden vor der Küste Sardiniens und Siziliens alljährlich riesige Mengen Thunfisch gefangen, doch der Thunfischfang im eigentlichen Sinn (mit speziellen Netzen, die ein System von Kammern bilden) und die mattanza , das Abschlachten, konnte erst beginnen, wenn die Fischschwärme im Mai sardische Gewässer erreicht hatten, und nach wenigen Wochen war alles vorbei. Ein grundsätzlicheres Problem, das man jedoch kaum wahrnimmt, wenn man das quirlige Treiben auf den Fischmärkten selbst so kleiner Hafenstädte wie Trani erlebt, ist der Mangel an fangbarem Fisch. Die einzige reichlich vorkommende Fischart außer Thunfisch sind Sardinen und Sardellen. Mitte des 20. Jahrhunderts, vor der Einführung von Fangquoten, hatte Italien die größte Fischereiwirtschaft aller Länder, die ausschließlich vom Mittelmeer umgeben sind. Italien fischte das Zwanzigfache der Tonnage seines benachbarten Rivalen Griechenland, doch der italienische Fischfang insgesamt betrug nur ein Sechstel dessen, was die britische Fangflotte einholte.
    Als der Historiker Fernand Braudel das Mittelmeer als »geologisch überaltert« und »biologisch erschöpft« beschrieb, wurde seine Terminologie als »evolutionistisch« kritisiert. Aber er verwies zu Recht auf die Fischarmut des Mittelmeers im Vergleich zum Atlantik, wenn er feststellte, dass sich »die Menge der vielgerühmten frutti di mare in Grenzen hält«. *6 Der schmale Festlandsockel des Mittelmeers und das Fehlen ausgeprägter Gezeiten beschränken das Wachstum von Nahrung für die Fische. Wenn dagegen die warmen Meeresströmungen aus dem Golf von Mexiko das Kontinentalschelf Westeuropas erreichen, bringen sie gewaltige Mengen Plankton mit, das den riesigen Fischschwärmen des Atlantiks rund um Großbritannien, Island und Neufundland Nahrung bietet. Eine Folge der Fischknappheit und der geringen Zahl von Fischern in Italien war, historisch gesehen, der Mangel an Seeleuten. Lange Zeit rekrutierte Venedig seine Mannschaften in Dalmatien, und Ende des 16. Jahrhunderts warben die Mittelmeerstaaten Seeleute ausNordeuropa an. Philipp II. von Spanien soll nach dem Untergang seiner Armada im Jahr 1588 sogar versucht haben, Seeleute aus England anzuheuern. *7
    Auch wenn die geographische Lage nicht verhindern konnte, dass Italien immer wieder überfallen wurde, schränkte die Beschaffenheit des Landesinnern die Bewegungsfreiheit von Eindringlingen wie Bewohnern gleichermaßen ein. Die Alpen haben mehrere Vorzüge gegenüber dem Apenninmassiv, Italiens gebirgigem
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