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Auch Schmetterlinge können weinen (Der romantische Heftroman für den Kindle) (German Edition)

Auch Schmetterlinge können weinen (Der romantische Heftroman für den Kindle) (German Edition)

Titel: Auch Schmetterlinge können weinen (Der romantische Heftroman für den Kindle) (German Edition)
Autoren: Sophia Bjenlund
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seinem Stock abgetastet hatte.
    Leise zählte er; hundert - hundertfünfzig -. hundertneunundfünfzig...
    Vor einer blumengeschmückten Grabstelle blieb er stehen. Er machte einen tiefen Atemzug. Außer einem schwachen, etwas bunten Lichtschimmer konnte er nichts erkennen. Vorsichtig beugte er sich herab und tastete nach den Randsteinen, mit denen das Grab begrenzt war. Dann hatte er ihn gefunden, den losen Stein, an dem er Gertis Grab erkennen konnte. Vorsichtig legte er den Strauß dunkelroter Nelken nieder und erhob sich dann. Die Hände zu einem stummen Gebet gefaltet, verharrte der Einsame
    eine ganze Zeitlang, bis er wieder aus seiner Erstarrung erwachte.
    Müde senkte er den Kopf und schloss die Augen. Nun war es ganz dunkel, doch das störte ihn nicht sonderlich. Es war die gerechte Strafe für einen Mann, der ein Menschenleben auf dem Gewissen hatte.
    Im Geist sah er wieder Gertis vor Schreck und Angst verzerrtes Gesicht vor sich, ehe ihn eine gnädige Ohnmacht umfing. Dafür war das Erwachen im Krankenhaus umso grausamer gewesen. Lange Zeit hatte man ihm den Tod seiner Frau verschwiegen, bis er den Ärzten einfach nicht mehr geglaubt hatte.
    Stöhnend legte Werner Bostel eine Hand über die Augen. Sehen konnte er nicht mehr mit ihnen, doch zum Weinen taugten sie noch immer.
    Er konnte fühlen, wie es heiß über seine Wangen lief. Hastig wischte er mit dem Handrücken darüber. Er wußte ja nicht, ob jemand in der Nähe war.
    Fest umklammerte Werner Bostel seinen Stock, der für ihn Halt und Sicherheit bedeutete. Ohne ihn war er verloren, ohne den Stock und ohne Karl, seinen Chauffeur.
    Karl ersetzte seinem Herrn die Augen, so gut er es eben vermochte. Manchmal beschrieb er eine Landschaft oder das Wetter wie ein Poet, und Werner musste sich dann insgeheim eingestehen, dass er einen Regen oder ein Unwetter noch nie aus dieser Sicht gesehen hatte. Früher war für ihn ein Unwetter gleichbedeutend gewesen mit Hausarrest, Missstimmung und manchmal sogar Langeweile. Mittlerweile zog es ihn gerade an regnerischen Tagen hinaus in die Natur, weil er dann die Erde riechen und das Wasser fühlen konnte. In solchen Momenten wurde ihm dann schmerzhaft bewusst, dass er noch immer lebte. Sein Innerstes wurde aufgewühlt, und seine Gefühle schienen sich zu einem einzigen Knäuel zusammenzuballen, das ihm fast das Herz brach. Und doch liebte Werner gerade diese Stimmung, die er erst durch den Verlust seiner geliebten Frau und seines Augenlichtes kennengelernt hatte.
    Mit einer müden Geste strich er das dunkle Haar zurück, das an den Schläfen bereits mit feinen Silberfäden durchzogen war. Trotz seiner erst fünfunddreißig Jahre ging er leicht nach vorn gebeugt, so dass er von hinten aussah wie ein alter Mann. Blickte man ihm jedoch ins Gesicht, dann konnte man unschwer erkennen, dass Verzweiflung und Trauer ihn niederdrückten und nicht das Alter.
    Tiefe Sorgenfalten hatten sich um seinen Mund eingegraben und verliehen ihm ein interessantes Aussehen.
    Als seine Armbanduhr einen leisen, mahnenden Piepton von sich gab, lächelte der Mann kaum merklich. Gerade hatte er das Friedhofstor passiert und war wieder in die Welt der Lebenden zurückgekehrt. Karl konnte sich also nicht über ihn beschweren, denn er war wieder einmal pünktlich.
    »Sind Sie zufrieden, Karl? « fragte Werner Bostel, als der Chauffeur ihm den Stock abnahm und ihn unauffällig an die Autotür führte.
    Karl nickte. Er konnte sich einfach nicht daran gewöhnen, dass sein Arbeitgeber diese Bewegungen nicht sehen konnte. Er war bereits so lange in den Diensten der Bostels, dass er in Werner noch immer den kleinen schwarzgelockten Jungen sah, den er früher oft auf seinen Schultern hatte reiten lassen.
    »Nun sagen Sie schon, Karl, bin ich nicht pünktlich? «
    Werner Bostel war offensichtlich nicht befriedigt. Seit er blind war, schien er besonders darauf Wert zu legen, selbständig zu sein, und niemandem zur Last fallen zu müssen. Dazu gehörte auch, dass er sich auf sein Zeitgefühl verlassen konnte und nicht mehr so sehr auf die Uhr angewiesen war, die er ohnehin nicht sehen konnte.
    »Ich habe es nicht anders von Ihnen erwartet, Werner«, antwortete der Chauffeur milde. Es schnürte ihm jedes Mal die Kehle zusammen, wenn er den Eifer beobachtete, mit dem der Mann seine Schwäche zu verbergen versuchte.
    »Lassen Sie die Schaumschlägerei, Karl. « Werners Stimme klang zynisch. »Ich weiß, dass ich ohne Sie hilflos bin«, sagte er bitter und
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