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Also sprach Zarathustra

Titel: Also sprach Zarathustra
Autoren: Friedrich Wilhelm Nietzsche
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Schaffende, und Miterntende: denn Alles steht bei ihm reif zur Ernte. Aber ihm fehlen die hundert Sicheln: so rauft er Ähren aus und ist ärgerlich.
    Gefährten sucht der Schaffende, und solche, die ihre Sicheln zu wetzen wissen. Vernichter wird man sie heissen und Verächter des Guten und Bösen. Aber die Erntenden sind es und die Feiernden.
    Mitschaffende sucht Zarathustra, Miterntende und Mitfeiernde sucht Zarathustra: was hat er mit Heerden und Hirten und Leichnamen zu schaffen!
    Und du, mein erster Gefährte, gehab dich wohl! Gut begrub ich dich in deinem hohlen Baume, gut barg ich dich vor den Wölfen.
    Aber ich scheide von dir, die Zeit ist um. Zwischen Morgenröthe und Morgenröthe kam mir eine neue Wahrheit.
    Nicht Hirt soll ich sein, nicht Todtengräber. Nicht reden einmal will ich wieder mit dem Volke; zum letzten Male sprach ich zu einem Todten.
    Den Schaffenden, den Erntenden, den Feiernden will ich mich zugesellen: den Regenbogen will ich ihnen zeigen und alle die Treppen des Übermenschen.
    Den Einsiedlern werde ich mein Lied singen und den Zweisiedlern; und wer noch Ohren hat für Unerhörtes, dem will ich sein Herz schwer machen mit meinem Glücke.
    Zu meinem Ziele will ich, ich gehe meinen Gang; über die Zögernden und Saumseligen werde ich hinwegspringen. Also sei mein Gang ihr Untergang!
    10.
    Diess hatte Zarathustra zu seinem Herzen gesprochen, als die Sonne im Mittag stand: da blickte er fragend in die Höhe - denn er hörte über sich den scharfen Ruf eines Vogels. Und siehe! Ein Adler zog in weiten Kreisen durch die Luft, und an ihm hieng eine Schlange, nicht einer Beute gleich, sondern einer Freundin: denn sie hielt sich um seinen Hals geringelt.
    "Es sind meine Thiere!" sagte Zarathustra und freute sich von Herzen.
    "Das stolzeste Thier unter der Sonne und das klügste Thier unter der Sonne - sie sind ausgezogen auf Kundschaft.
    Erkunden wollen sie, ob Zarathustra noch lebe. Wahrlich, lebe ich noch?
    Gefährlicher fand ich's unter Menschen als unter Thieren, gefährlicher Wege geht Zarathustra. Mögen mich meine Thiere führen!"
    Als Zarathustra diess gesagt hatte, gedachte er der Worte des Heiligen im Walde, seufzte und sprach also zu seinem Herzen:
    Möchte ich klüger sein! Möchte ich klug von Grund aus sein, gleich meiner Schlange!
    Aber Unmögliches bitte ich da: so bitte ich denn meinen Stolz, dass er immer mit meiner Klugheit gehe!
    Und wenn mich einst meine Klugheit verlässt: - ach, sie liebt es, davonzufliegen! - möge mein Stolz dann noch mit meiner Thorheit fliegen!
    - Also begann Zarathustra's Untergang.
    Die Reden Zarathustra's
    Von den drei Verwandlungen
    Drei Verwandlungen nenne ich euch des Geistes: wie der Geist zum
Kamele wird, und zum Löwen das Kameel, und zum Kinde zuletzt der
Löwe.
    Vieles Schwere giebt es dem Geiste, dem starken, tragsamen Geiste, dem
Ehrfurcht innewohnt: nach dem Schweren und Schwersten verlangt seine
Stärke.
    Was ist schwer? so fragt der tragsame Geist, so kniet er nieder, dem Kameele gleich, und will gut beladen sein.
    Was ist das Schwerste, ihr Helden? so fragt der tragsame Geist, dass ich es auf mich nehme und meiner Stärke froh werde.
    Ist es nicht das: sich erniedrigen, um seinem Hochmuth wehe zu thun? Seine Thorheit leuchten lassen, um seiner Weisheit zu spotten?
    Oder ist es das: von unserer Sache scheiden, wenn sie ihren Sieg feiert? Auf hohe Berge steigen, um den Versucher zu versuchen?
    Oder ist es das: sich von Eicheln und Gras der Erkenntniss nähren und um der Wahrheit willen an der Seele Hunger leiden?
    Oder ist es das: krank sein und die Tröster heimschicken und mit Tauben Freundschaft schliessen, die niemals hören, was du willst?
    Oder ist es das: in schmutziges Wasser steigen, wenn es das Wasser der Wahrheit ist, und kalte Frösche und heisse Kröten nicht von sich weisen?
    Oder ist es das: Die lieben, die uns verachten, und dem Gespenste die Hand reichen, wenn es uns fürchten machen will?
    Alles diess Schwerste nimmt der tragsame Geist auf sich: dem Kameele gleich, das beladen in die Wüste eilt, also eilt er in seine Wüste.
    Aber in der einsamsten Wüste geschieht die zweite Verwandlung: zum Löwen wird hier der Geist, Freiheit will er sich erbeuten und Herr sein in seiner eignen Wüste.
    Seinen letzten Herrn sucht er sich hier: feind will er ihm werden und seinem letzten Gotte, um Sieg will er mit dem grossen Drachen ringen.
    Welches ist der grosse Drache, den der Geist nicht mehr Herr und Gott heissen mag? "Du-sollst"
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