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Alles ist grün

Alles ist grün

Titel: Alles ist grün
Autoren: David Foster Wallace
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schließlich bin ich hier mehr oder weniger reingeschneit, ohne triftigen Grund und praktisch ohne Vorwarnung, mal abgesehen von einem nächtlichen Anruf vor zwei Tagen und einer Art Anschlussgespräch mit meinen Eltern, als ich schon unterwegs war. Sie sagt, es ist eine wunderschöne Überraschung, dass ich sie besuchen komme, und sie hofft, ich bleibe, so lange ich will, und sage ihr, was ich essen möchte, damit sie entsprechend einkaufen kann, und ob ich mich nicht gut fühle und stolz bin, dass ich an einer so guten Uni meinen Abschluss gemacht habe, in einem so schweren Fach, dass sie das ja nie im Leben verstehen würde. Sie setzt sich. Wir reden über die Familie. Die Sandwiches sind gut, das Bier schon etwas warm. Mein Onkel beäugt wieder die Sixpacks und holt dann das Döschen Schnupftabak aus der Hemdtasche, denn seit er das Rauchen aufgeben musste, schnupft er. Durch die Fliegenfenster der Küche weht kühle, süße, grasige Luft herein. Ich bin zu müde, um mich schlecht zu fühlen.«
    »Ich fand es so schade, als er sagte, er müsse die Stadt verlassen und vielleicht den ganzen Sommer wegbleiben. Aber als er sagte, jetzt wären wir quitt, Sommer für Sommer, wurde ich sauer. Denn es war seine Entscheidung, dass er ging, genauso wie es letzten Sommer seine Entscheidung gewesen war. Letzten Sommer blieb er in Cambridge, in Boston, fing mit seinemProjekt an und bekam eine Forschungsstelle in diesem Ingenieursbüro, und mir hat er eigentlich nie richtig erklärt, warum er den Sommer nicht in Bloomington verbringen wollte, dabei hatte ich hier gerade meinen Bachelor gemacht. Aber er schickte mir einen großen Rosenstrauß und schrieb, komm leb mit mir und lass dich lieben, im Sommer hier in Boston, ich fehlte ihm so sehr, dass er es nicht aushalten konnte, und ich war hin- und hergerissen, aber schließlich zahlte ich den Flug ans MIT von dem Geld, das ich zum Abschluss geschenkt bekommen hatte, fand einen Job als Kellnerin in einem deutschen Restaurant am Harvard Square, dem Wurst House, und wir hatten eine Wohnung in Back Bay mit Kamin, was echt teuer war. Aber nachdem dann einige Zeit vergangen war, benahm sich Bruce, als ob er mich dort eigentlich gar nicht haben wollte. Wenn er darüber gesprochen hätte, dann hätte ich vielleicht damit leben können, aber er wurde einfach nur richtig abweisend. Er blieb einfach die ganze Zeit in seinem Labor, kam nie vorbei, um sich das Wurst House mal anzuschauen, und zu Hause in unserer Wohnung hat er mich mal eine ganze Woche lang nicht berührt und blaffte mich stattdessen an oder war einfach abweisend. Nach einer Weile war es, als würde ich ihn anwidern. Da hatte ich schon angefangen, die Antibabypille zu nehmen. Im Juli kam er einmal einen ganzen Tag und eine Nacht nicht nach Hause und rief auch nicht an, und als er sich dann meldete, wurde er sauer, weil ich sauer war, dass er sich nicht gemeldet hatte. Er fragte, ob er nicht ab und zu mal wenigstens Spuren eines eigenen Lebens haben dürfe. Ich sagte, das dürfe er ruhig, aber ich hätte einfach das Gefühl, er würde nicht mehr dasselbe für mich empfinden. Er sagte, was bildest du dir eigentlich ein, dass du mir sagst, was ich empfinde. Ein paar Tage danach bin ich nach Hause geflogen. Wir fanden, das wäre das Beste, denn wenn ich bliebe, hätte er ständig das Gefühl, er müssekünstlich nett sein, und das würde uns beiden keinen Spaß machen. Als er im Bus zum Logan Airport mitkam, weinten wir beide ein wenig. Als ich zu Hause in Bloomington ankam, bewarf mich meine Familie mit Konfetti, so froh war sie, mich wiederzuhaben, und ich war auch froh, wieder zu Hause zu sein. Am Tag darauf schickte Bruce mir wieder Rosen und rief an und sagte, er hätte einen fürchterlichen Fehler gemacht, und er kam auch nach Hause geflogen und sagte, es täte ihm sehr leid, dass er wegen aller möglichen Nebensächlichkeiten so fixe Ideen gehabt hätte, und er bat mich, doch zu verstehen, dass er das Gefühl hätte, auf der Schwelle zu einer neuen Zeit zu stehen, und ich solle sein Verhalten als Zeichen seiner eigenen persönlichen Schwächen sehen, die mit seinem Engagement für unsere Beziehung nichts zu tun hätten. Und ich nehme an, zu dem Zeitpunkt hatte ich schon so viel in die Beziehung investiert, dass ich gesagt habe, okay, das ist okay, und er blieb über eine Woche in Bloomington, und wir waren immerzu zusammen, und nachts war es mit ihm einfach wunderschön, es konnte wirklich wunderschön sein, ihm nah zu
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