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Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Titel: Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters
Autoren: T Rammstedt
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genug Steine und Zweige
im Rücken, um mich daran zu erinnern, dass auch dies hier noch längst kein
glückliches Ende ist.
    Ich werde nun schlafen, Herr Willis. Wecken Sie mich, wenn ich mit
der Wache an der Reihe bin.
    Ihr
    Tilman Rammstedt
    PS: Mein Verlag hat mir mittlerweile den Umschlagentwurf
für unseren Roman geschickt. Ich hänge ihn an diese Mail an. Wenn Sie
Verbesserungsvorschläge haben, lassen Sie es mich bitte schnell wissen, wenn
möglich bis morgen. Nur an der Katze ist angeblich nichts mehr zu ändern. Bücher
ohne Katze auf dem Umschlag würden sich einfach nicht mehr verkaufen, behauptet
mein Verlag. Es wäre also gut, wenn wir noch irgendwie eine Katze in die Geschichte
einbauen könnten. Sie sind doch nicht allergisch, oder?
    Ob er eigentlich Kinder habe, fragte ich meinen ehemaligen
Bankberater, und er schüttelte den Kopf. Manchmal wache er morgens auf und sei
sich ganz sicher, welche zu haben, da könne er sich sogar verschwommen an Namen
und Frisuren erinnern, aber spätestens am Nachmittag sei all das wieder verschwunden.
»Manchmal bleiben die Frisuren etwas länger«, sagte er, »allerdings nie bis zum
Abendbrot.«

Sehr geehrter Herr Willis,
    Sie müssen nicht weiter Wache halten. Ich kann ohnehin
nicht schlafen. Es ist zu kalt, da ist zu viel Adrenalin im Blut, da sind all
die Geräusche, die mich ständig aufschrecken lassen. Und ehrlich gesagt, Herr
Willis, traue ich Ihnen nicht recht. Reglos kauern Sie am verhinderten Lagerfeuer.
Vielleicht schlafen Sie, vielleicht warten Sie auch nur darauf, dass es endlich
vorbei ist, dass wir eingeholt werden, aufgespürt werden und uns unser
Scheitern nicht länger ausmalen müssen.
    Sie können natürlich machen, was Sie wollen, Herr Willis. Sie sind
ein erwachsener Mann, und auch dies ist ein freies Land. Doch vergessen Sie
bitte nicht, dass Sie hier nicht allein sind. Das sind Sie vielleicht nicht
gewohnt, das ist eine neue Situation für Sie, aber ich stecke nun zweifellos in
der ganzen Sache mit drin, und ich habe nicht die geringste Lust darauf, jetzt
geschnappt zu werden. Das ist einfach nicht das, was ich unter einem
glücklichen Ende verstehe. Wenn Ihnen also alles egal ist: Schön für Sie. Mir
ist es das nicht. Und das haben Sie verdammt noch mal zu respektieren.
    Ich bin nicht besonders gut auf Sie zu sprechen, als ich mich neben
Sie an den Holzhaufen setze. Dass Sie sich jetzt ruhig hinlegen können, sage
ich so kurz angebunden wie möglich, ich würde für den Rest der Nacht die Wache
übernehmen. Sie blinzeln kurz, und das ist mehr Reaktion, als ich erwartet
hatte. Mein um Ihr Bein gewickelter Hemdärmel ist dunkler geworden, die Wunde
hat sich wieder geöffnet. Sie wehren sich nicht, als ich vorsichtig den
vollgesogenen Stoff entferne, und wir betrachten das erbsengroße schwarze Loch,
das uns wie das Auge eines argwöhnischen Tieres aus der rot verschmierten Haut
anfunkelt. »Das sieht nicht gut aus«, sagen Ihre Stirnfalten. »Nur ein
Kratzer«, sage ich, reiße mit Fingern und Zähnen den anderen Ärmel meines
Hemdes ab und binde ihn fest um Ihren Oberschenkel. Die Birkenblätter lasse ich
diesmal weg.
    Sie sind blass, Herr Willis. Ihre Zähne klappern, die violetten
Ränder unter Ihren Augen könnten viel erzählen, verzichten aber darauf. So
teilnahmslos und fremd sitzen Sie da, als ob der Wald einfach um Sie herum
gewachsen wäre, als ob Sie eine Ruine wären, die es kaum erwarten kann,
überwuchert zu werden. Und auf einmal tut es mir sehr leid, Sie hierhergebracht
zu haben. Es kommt mir eigensinnig vor, naiv und vermessen. Ich würde Sie gern
in den Arm nehmen, Sie wärmen, trösten, aber ganz gleich, wie wenig Sie noch mit sich gemeinsam
haben, Bruce Willis nimmt man nicht einfach in den Arm, also stochere ich mit
einem dünnen Zweig in den gestapelten Ästen herum, als gäbe es eine Glut, die
man dort retten könnte, und versuche ein ablenkendes Gesprächsthema zu finden.
    »Wie viel Geld haben wir eigentlich?«, frage ich, und es tut gut,
»wir« zu sagen. Sie ziehen das erbeutete Bündel Scheine aus Ihrer Hosentasche
und reichen es mir, ein paar fallen auf die Erde, das scheint Sie nicht zu
stören, also stört es mich auch nicht.
    »Ungefähr sechstausendeinhundert«, sage ich, als ich mit dem Zählen
fertig bin. Die Zahl passt nicht. Sie passt nicht in diesen Wald, Sie passt
nicht in diese Nacht, sie passt nicht zu Ihrer Schusswunde. Ich hatte mir eine
größere Zahl vorgestellt, eine glamourösere. Ich hatte
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