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Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen

Titel: Abdahn Effendi. Kleinere Erzählungen
Autoren: Karl May
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sie nur die Einleitung zu dem bildete, was erst noch folgen sollte. Aber der Mensch denkt, und – das ›Majörle‹ lenkt. Die strenge Einleitung bekam eine ganz andere Fortsetzung, als selbst der Major erwartet hatte. Es erhob sich nämlich grad jetzt draußen in der Vorderstube eine so laute Lustigkeit, daß der Offizier von seinem Stuhle aufstand, um sie sich zu verbitten. Er öffnete die Tür und schaute zornig hinaus. Aber was er da zu sehen bekam, das verwandelte den Ernst seiner Miene sofort in ein heiteres Lächeln, gegen welches er vergeblich kämpfte. Man sah sogar, daß er sich auf die Lippen biß, um nicht in das Gelächter einzufallen, welches er hatte tadeln wollen.
    Wer aber war es, der diesen Ernst so schnell in dies fröhliche Lächeln verwandelt hatte? Natürlich das ›Majörle‹ mit seinem Sonnenscheinchen! Der Herr Major machte die Tür nun so weit auf, daß auch die anderen sehen konnten, was seiner Gemütsstimmung diese plötzliche Wendung gegeben hatte.
    Man denke sich: Sie kamen beide sehr langsam und sehr bedächtig durch den vorderen Raum auf das Herrenstüble zugeschritten, voran das Sonnenscheinchen als barmherzige Schwester, und hinter ihr das ›Majörle‹ als der Gestochene, der von ihr verbunden worden war.
    Die ›Barmherzige‹ trug auf dem Kopfe das Nähkörbchen ihrer Mutter, welches mit Bindfaden unter dem Kinn festgebunden war. »Jede Pflegerin muß eine solche Haube haben,« hatte das ›Majörle‹ behauptet. Darüber hing ein weißer Schleier, der aber eigentlich das heutige, neuwaschene Sonntagshandtuch war. Der blaue Mantel, welcher von der Schulter der Kleinen wallte, war Paules Scheuerschürze. Und an den Füßen schlingerten des Vaters wollene Wintersocken, weil das ›Majörle‹ gesagt hatte, daß die barmherzigen Schwestern nicht mit den Schuhen klappern dürften, weil die Kranken das nicht vertragen könnten. Um den Hals trug sie als Zeichen ihrer Berufstätigkeit eine Schnur, an welcher ein halbes Dutzend alte, leere Arzneiflaschen klirrten, die man auf dem Scherbenhaufen entdeckt hatte. Das liebe, rosige Gesichtchen strengte sich an, so würdevoll wie möglich dreinzuschauen, während die kleinen Händchen sich bemühten, Großmutters schweren, uralten Botenfrauregenschirm vollständig aufgespannt hoch über den Kopf zu halten.
    Und das ›Majörle‹ gar! Es war sehr schwer verwundet, das sah man ihm gleich auf den ersten Blick an. Und zwar nicht etwa nur am Halse, wie Fritz Felber! Es schien an einer höchst lebensgefährlichen Bataille teilgenommen zu haben, denn seiner Blessuren waren wenigstens vier, und zwar alle sehr bedenklich! Die ganze Stirn war bis über das eine Ohr hinweg fest zugeklebt. Da das die Mütze störte, so war sie verkehrt aufgesetzt worden, also mit dem Schirm nach hinten. Der Hals steckte ganz in Watte, welche noch rot von dem vergossenen Blute war. Der rechte Arm war sehr dick mit Werg umwickelt und hing in einer Leinwandbinde, die früher jedenfalls ein Rockbund gewesen war. Das linke Bein schien doppelt verletzt zu sein, denn es war bis ganz herauf geschient und unter den Schienen sehr stark mit rotem Flanell umwunden. Wenn man einen Arm in der Binde hat, so kann man selbstverständlich keinen Waffenrock tragen. Darum hatte das ›Majörle‹ den seinen nur übergehängt. Das gab den Verwundungen eine Glaubwürdigkeit, welche ganz bedeutend durch das leidende, schmerzentstellte Gesicht des armen Invaliden unterstützt wurde.
    So kamen die beiden hintereinander her, langsam, traurig, matt und hinfällig zum Erbarmen. Das ›Majörle‹ konnte kaum mehr fort, was wegen seines geschienten Beines ja auch begreiflich war. Es stöhnte! Das Sonnenscheinchen verzog keine Miene. Es war sich seiner traurigen und doch so menschenfreundlichen Pflicht wohl bewußt. Darum sagte es auch gleich, noch ehe es in die Stube trat:
    »Da bringe ich ihn! Nun muß er nur noch ›Lebenstropfen‹ trinken. Großmutter hat ein Pflaster; das fand ich aber nicht. Sonst wäre er schon jetzt wieder gesund!«
    Nun wollte sie herein, konnte aber wegen des großen Regenschirmes nicht. Der Herr Major nahm ihn ihr ab. Ihre Eltern befanden sich in größter Verlegenheit; sie wollten zanken, aber die Frau Major verbot es ihnen. Die Dame lachte, was sie nur lachen konnte, und da hielt sich ihr Herr Gemahl auch nicht mehr zurück; er stimmte ein. Felbers nun ebenso!
    »Aber Kinder, Kinder, wer hat euch denn auf diese kostbare Idee gebracht?« fragte die Gutsherrin, indem
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