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58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien

58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien

Titel: 58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien
Autoren: Karl May
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Darum antwortete er:
    „Ich versichere Sie, daß ich in der freundlichsten Absicht kam. Ich hörte von ihrer berühmten Kolibrisammlung und –“
    „Was gehen Sie meine Kolibris an“, rief da der Alte voller Wut. „Was wissen Sie, warum ich Kolibris malen lasse. Sehen Sie den Hund. Wenn Sie noch ein einziges Wort sagen, wird er sich auf Sie stürzen. Hinaus! Hinaus! Paß auf, Tiger.“
    Diese Worte waren in einem Zorn geschrien, der nicht natürlich genannt werden konnte. Das Wort Kolibri hatte ihn mehr als aufgeregt; es hatte einen unheimlichen, einen geradezu diabolischen Eindruck auf ihn gemacht. Seine Stimme bebte; seine Gestalt zitterte, und seine Augen sprühten Blitze.
    Haller sah, daß hier jede Entgegnung vergebens sein werde.
    „Adieu“, sagte er und ging.
    „Adieu. Kommen Sie mir nicht wieder.“
    Bei diesen Worten schloß der Alte Tür und Kette wieder, welche beide der Maler geöffnet hatte. Dann wendete er sich zu dem Dicken:
    „Warum bringen Sie diesen Menschen mit?“
    „Ganz ohne Absicht, Herr Untersberg“, antwortete der Gefragte in möglichst unbefangenem Ton.
    „Wirklich?“
    Sein Blick schien bei dieser Frage das Gesicht des Kleinen völlig durchbohren zu wollen. Dieser machte ein gleichgültiges Gesicht und sagte:
    „Pah! Ich möchte wissen, welche Absicht ich hätte haben können.“
    „Das will ich hoffen. Ich hasse die Schleicher. Ich dulde keine Spione, welche nur kommen, um bei mir zu sehen und zu horchen. Sie sind ein lustiger Kauz, und lustige Leute sind niemals falsche oder gar heimtückische Katzen. Darum dulde ich Sie bei mir. Aber ich befehle Ihnen, mir niemals wieder einen Fremden zu bringen. Ich würde Sie selbst durch Tiger hinausbeißen lassen, und nie, niemals dürften Sie wieder zu mir kommen.“
    „Schön! Ich werde mir das merken.“
    „Ich hoffe und verlange es. Eigentlich wollte ich heute mit Ihnen nach dem Dokument du divorce suchen; auch habe ich die ganze Nacht an meinem Kopf gezeichnet; aber ich habe etwas anderes für Sie.“
    „Wenn sich das Dokument nun fände?“ fragte der Maler.
    Der Alte zog den Kopf zurück, blickte den Fragenden mißtrauisch an und sagte heftig:
    „Warum fragen Sie? Was geht es Sie an, was ich tun will, wenn das Schreiben sich findet? Sollte ich mich doch irren? Sollten Sie doch ein Spion sein?“
    „Unsinn! Ich bin Ihr Freund und Diener! Weiter nichts!“
    „So fragen Sie auch nicht! An das Dokument denke ich jetzt nicht. Es mag verborgen bleiben; ja, es soll und darf gerade jetzt sich nicht finden. Es würde mich irre machen. Ich würde vielleicht etwas tun, was ich nicht tun soll! Fragen Sie nicht danach, sondern fragen Sie lieber, was das andere ist, was ich für Sie zu tun habe!“
    „Nun, so will ich fragen!“
    „Können Sie reisen?“
    „Natürlich!“
    „Ja, ich entsinne mich. Sie sind bereits viel gereist.“
    „Ich bin ja erst gestern wieder von einem Ausflug zurückgekommen!“
    Der Alte blickte ihn wie abwesend an, nickte langsam mit dem Kopf und meinte:
    „Ja, mir ist so, als ob ich davon gehört hätte, daß Sie abwesend waren. Aber zum Reisen gehört zuweilen mehr, als man denkt. Es gibt Zufälle, Hindernisse und Störungen, auf welche man nicht vorbereitet ist. Da gilt es, stets und sogleich das Richtige zu tun und zu finden. Sind Sie erfahren?“
    „Ich denke es.“
    „Und geistesgegenwärtig?“
    „Das habe ich bei meinem letzten Ausflug sogar dreimal höchst eklatant bewiesen.“
    „Das ist mir lieb! Ich brauche einen entschlossenen, geistesgegenwärtigen Mann, der zu reisen versteht. Aber noch eins: Sind Sie vielleicht des Französischen mächtig?“
    „Ja. Wir haben uns doch in dieser Sprache sehr oft unterhalten.“
    „Möglich! Ich kann mich nicht darauf besinnen. Und nun die letzte Frage: Haben Sie jetzt Zeit?“
    „Eigentlich nicht.“
    „Was haben Sie vor?“
    „Ich habe notwendige Skizzen auszuführen.“
    „Dazu ist später Zeit.“
    „Aber ich muß leben; ich muß essen und trinken, und wenn ich nicht arbeite, so verdiene ich nichts!“
    „Ich werde Sie bezahlen, sehr gut bezahlen!“
    „Es scheint sich um eine Reise zu handeln, welche ich für Sie unternehmen soll?“
    „Ja.“
    „Nach Frankreich?“
    „Ja.“
    „Da weiß ich doch nicht, ob ich Ihnen dienen kann!“
    „Warum nicht! Den Ausfall am Verdienste ersetze ich ja.“
    „Oh, ich habe noch anderes vor als meine Skizzen!“
    „Was?“
    „Hm!“ brummte der Dicke, einigermaßen verlegen.
    „Hm ist keine Antwort!
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