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2582 - Ein Kind der Funken

2582 - Ein Kind der Funken

Titel: 2582 - Ein Kind der Funken
Autoren: Leo Lukas
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Julian.«
    »Tanio. Bist du in Ordnung?«
    *
    Der Oberstleutnant klopfte mit den Händen auf Brust, Hüften und Gesäß, wie um sich zu

vergewissern, dass alles am richtigen Platz war. »Wenn man außer Betracht lässt, dass ich gerade

die irrste Erfahrung meines Lebens durchgemacht habe - ja.«
    Er dehnte und streckte sich. »Im Kopf bin ich relativ klar. Trotzdem solltest du einen

Sicherheitsabstand beibehalten. Ich habe diese ... Sache keineswegs im Griff.«
    Tiff nickte. Immerhin bewiesen die Warnungen Tanios Zurechnungsfähigkeit. »Wo bist du

gewesen?«
    »Keine Ahnung.« Er schüttelte den Kopf und stieß ein kurzes, trockenes Lachen aus. »Und frag

mich nicht, wie ich dorthin versetzt wurde.«
    Als Tiff schwieg, um ihm Zeit zu lassen, seine Eindrücke zu verarbeiten, fügte Ucuz

nachdenklich hinzu: »Ich weiß nur, dass ich mich an diesem Ort nicht unwohl gefühlt habe.

Vielmehr willkommen, gewissermaßen daheim.«
    »Daheim.«
    »Verwurzelt, angestammt ... Dort, in diesem«, Ucuz rang nach Worten, »Zustand ist alles

anders. Fließend. Und zugleich auch viel eindeutiger definiert als ... «
    Mit einer Armbewegung umfasste er die luxuriös eingerichtete, allerdings von ihrem Kampf zum

Teil arg in Mitleidenschaft gezogene Lobby. Den Satz vollendete er nicht, richtete stattdessen

den Blick hinauf zum Kreuzrippengewölbe, als fände er in den schnörkeligen Schriftzeichen auf den

Fayence-Kacheln eine Antwort.
    Ucuz seufzte. »Ich hatte große Lust, dieses faszinierende Medium zu erforschen; und zugleich

Angst, mich darin zu verlieren. Es ist ... ungemein weitläufig, glaube ich, und ich weiß nicht,

wie ich mich darin orientieren soll. Deshalb habe ich ... «
    »Ja?«
    »Irgendwie ... die Notbremse gezogen?« Er hob die Schultern. »Etwas in der Art. Jedenfalls, da

bin ich wieder.«
    »Und wirst du ... bleiben?«, fragte Tiff.
    »Es zieht mich zurück hinein, falls du das meinst. Beizeiten werde ich einen neuerlichen

Versuch unternehmen, denke ich. Einstweilen kann ich den Drang beherrschen.«
    »Ich vertraue dir.«
    »Danke! Aber tu's mit Vorbehalt.«
    »Versprochen.« Obwohl Tifflor zahlreiche weitere Fragen und etliche Mutmaßungen auf der Zunge

lagen, sagte er: »Ich muss in die Zentrale.«
    »Natürlich. Was dagegen, dass ich dich begleite?«
    »Natürlich nicht.«
    Alles ist natürlich, dachte Tiff, während er losstapfte, bedrückt nicht nur vom Gewicht

des SERUNS. Auch das Übernatürliche.
     

Anekdoten vom Berg des Lichts (I):
    Der Hirte
     
    Vor langer Zeit, als die Eisernen Städte noch bewohnt waren, lebte in einer Hütte am

Spiegelsee ein Hirte namens Daskylios.
    Dies ist kein Märchen, Schuljunge, sondern eine Geschichte voller ewiger
    Wahrheiten. Also zieh keinen Flunsch, sondern setz dich hin und hör gut zu!
    Daskylios war ein braver, mit sich und der Welt zufriedener Bursche. Er führte ein hartes,

dafür übersichtlich geordnetes Leben.
    Jeden Morgen, wenn der Himmel sich erhellte, frühstückte der Hirte ein paar Löffel graue

Grütze. Dann trieb er die mechanischen Schwäne des Funkfürsten aus ihren Stallungen auf den

Spiegelsee hinaus, wo sie ihr exquisites Schlittschuh-Ballett aufführten.
    Die gesamte Bevölkerung ergötzte sich daran, vom Funkfürsten, seinem Gesinde, den Adligen und

Rotorrittern über die Händler, Alchimisten und Fabrikanten bis hinab zu den Monteuren, Taghelfern

und Schrottwühlern. Alle liebten das immerwährende mechanische Ballett, die Anmut der einzelnen

Figuren, Pirouetten und Sprünge, die raffinierte, immergleiche und doch lediglich von den

Zufallsgeneratoren stets neu variierte Choreographie.
    Die Schwäne waren alt und bedurften häufiger Wartung. Stets musste Daskylios sie im Auge

behalten, denn jederzeit konnte beim einen ein Zahnrad brechen, beim anderen ein Keilriemen

reißen, beim dritten das Uhrwerk versagen, sodass er liegen blieb oder ausscherte und als

Irrläufer den Gesamteindruck störte. Dann zog Daskylios ihn aus dem Verkehr und ersetzte ihn

durch ein Reserve-Exemplar.
    Er hatte viel zu tun, durfte niemals unaufmerksam sein. Nicht selten vernachlässigte er seine

eigenen Bedürfnisse zugunsten seiner Pflichten.
    Abends, wenn die Himmelslichter ausgingen, fiel er todmüde aufs Lager. Dennoch war er rundum

zufrieden.
    Eines Tages ereignete sich ein Erdbeben. Im Spiegelsee bildete sich eine Spalte, und einer der

mechanischen Schwäne fiel hinein.
    Erste Frage, Schuljunge: Sollte
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