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0866 - Rattennacht

0866 - Rattennacht

Titel: 0866 - Rattennacht
Autoren: Jason Dark
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dem direktem Weg nähern. Das Haus lag am Ende der Straße. Vom oberen Stockwerk aus konnte Cunard auf den Friedhof schauen, was ihm an gewissen Tagen nichts ausmachte, an anderen schon, so wie in dieser Nacht, als er sich schlecht fühlte.
    Das Licht der beiden Scheinwerfer warf einen glänzenden Teppich auf die Straße. Es war hell, trotzdem sah das Pflaster irgendwie düster aus. Als hätte es sich der Stimmung des einsamen Fürsten angepaßt.
    Der Himmel über ihnen war dunkel. Chico kannte den Weg im Schlaf, und sein plötzliches Fluchen erreichte natürlich auch die Ohren des Mannes im Fond.
    Cunard war sofort hellwach. »Was ist?«
    »Eine fette Ratte, Boß.«
    »Wo?«
    »Sie hockte auf der Straße und wartete auf uns: Erst im letzten Augenblick zog sie sich zurück.«
    »Ratten gibt es hier genug.«
    »Leider.«
    »Die werden auch noch gegessen.«
    »Aber nicht von mir.«
    Sie rollten die letzten Meter und stoppten vor dem Tor. Es öffnete sich elektronisch, wenn der Fahrer die Fernbedienung betätigte.
    Cunard hatte dafür keinen Blick. Er dachte jetzt an die Ratte und schüttelte sich.
    Wenn es Tiere gab, die er haßte, dann waren es Ratten. In seinem Haus hatte er noch keine entdeckt, im Garten ebenfalls nicht, und er schaute sich um, als er ausgestiegen war.
    Der Geruch wilder Sommerblumen traf seine Nase. Er hatte alles quer durcheinander pflanzen lassen. Von der Geranie bis zu Rose. So hatte er sich einen bürgerlichen Anstrich geben wollen, der überhaupt nicht stimmte. Cunard hatte mit dem Bürgertum nicht viel im Sinn. Er war ein Verbrecher, und er war äußerst brutal.
    Die Luft war rein, sie konnten ins Haus.
    »Sind da Ratten?« fragte Cunard.
    »Nein, Boß.«
    »Gut.«
    An der Haustür hielt Chico Wache. Er - stand im gelben Licht, das er löschte, als sein Boß die Schwelle übertrat. Der Chef sollte nicht im Licht stehen. Dort gab er einfach zu leicht das Ziel für einen hinterhältigen Schützen ab.
    Seine Leibwächter hausten oben. Sie konnten durch einen elektronischen Ruf alarmiert werden. Im Moment standen sie noch in der Diele und schauten zu, wie Cunard sich den Schweiß aus dem Gesicht wischte. »Was ist denn noch?«
    »Sollen wir unten bleiben?«
    »Nein, geht hoch.«
    »Gut.«
    »Und schaut euch die Kassetten an, ob es jemand gewagt hat, während unserer Abwesenheit einzubrechen.«
    »So etwas wagt niemand.«
    »Schaut sie euch trotzdem an!« schrie Cunard und meinte Romero damit.
    »Schon gut, Boß.«
    Sie gingen die weiße Treppe hoch, die von einem weißen Geländer begleitet wurde. Überhaupt war vieles in Weiß gehalten, wie Cunard es liebte. Am liebsten wäre er auch ein Weißer gewesen, denn er hatte gespürt, daß er als Farbiger auch in Paris nie ganz nach oben kommen würde.
    Deshalb sein Weiß-Faible. Die weiße Ledercouch, die weißen Tische, die weißen Regale und auch die weißen Lampen.
    Cunard fiel ein, daß es besser war, im Dunkeln zu stehen, wenn er nach draußen wollte, deshalb löschte er die Lampen im Zimmer und ließ nur die Außenbeleuchtung brennen.
    Auch seinen Garten hatte er mit weißen Standleuchten ausgerüstet. Das Licht floß gegen die Gewächse und ließ sie wie zitternde, helle Wasserflächen aussehen, wenn sich die wenigen Blätter im sanften Nachtwind bewegten. Es war ein Garten, der Cunard gefiel, auch der kleine Pool hatte schon so manche heiße Party erlebt. In dieser Nacht lag sein Wasser ruhig wie ein Spiegel. Einige Blätter lagen auf der Oberfläche, und Insektenschwärme tanzten in der Nähe.
    Da draußen war nichts, was sich unnatürlich bewegt hätte. Trotzdem bekam Cunard feuchte Hände.
    Er schluckte.
    Die Furcht verdichtete sich wieder. Dabei hätte er ruhig sein müssen und auch können. In seinem Haus war er sicher. Da gab es keinen, der ihn störte. Warum diese schweißfeuchten Hände eine Stunde nach Mitternacht?
    Er wußte es nicht.
    Und er sah wieder die Augen.
    Diesen verdammten kalten Blick, in dem er eine fürchterliche Drohung gelesen hatte. Es war ein Fehler gewesen, den Mann nicht mitzunehmen und ihn in der Themse zu versenken, ein Fehler, der sich…
    Etwas hatte seine Gedanken unterbrochen.
    Ein schwaches Geräusch nur, mehr nicht. Doch dieses Geräusch war so fürchterlich anders.
    Etwas zischte. Funken flogen wie winzige Diamanten durch die Luft und verglühten.
    Cunard bewegte sich nicht. Unsichtbare Hände preßten seinen Magen zusammen, die Augen hatten eine schon eisige Starre angenommen, und er blickte dorthin, wo
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