Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0699 - Das Erwachen der Hexe

0699 - Das Erwachen der Hexe

Titel: 0699 - Das Erwachen der Hexe
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
hätte sie die Hände vor das Gesicht geschlagen, doch sie traute sich einfach nicht, dies zu tun. Sie spürte instinktiv, dass die Umstehenden sie dann gezwungen hätten, auf sie zu schauen.
    Kyle hatte bisher seine Hand auf ihrem Rücken gelassen. Nun trat er noch näher an sie heran. Tricia konnte ihn riechen. Beide Hände legte er auf ihre Schultern, drückte sie aber nicht nieder, sondern beließ es bei der schwachen Berührung. Trotzdem kamen Tricia die Hände wie Bleigewichte vor.
    »Weißt du, wer es ist?«
    Sie nickte.
    »Es ist unsere Herrin, die Führerin der Schattenkirche, die alte Hexe, die man vor langer Zeit gestellt und lebendig begraben hat. Aber sie starb nicht, denn sie stand unter einem mächtigen Schutz. Und ihre Patronin hat ihr versprochen, dass irgendwann der Zeitpunkt eintreten wird, wo sie wieder in die normale Welt zurückkehren kann. Aber erst musste eine bestimmte Person gefunden werden, du verstehst, Tricia?«
    »I - ich?«
    »So ist es.«
    Die Frage hatte sie Kraft gekostet, und die Antwort ließ ihre Knie noch weicher werden.
    »Du bist das Opfer, du bist ihr Jungbrunnen, Tricia. Das Schicksal hat die Weichen gestellt. Wir wollen Lilith danken, dass sie es geschafft hat. Daran kannst du erkennen, wie mächtig sie ist. Die Zeit ist für sie nicht relevant. Die Zeit ist ein Kreislauf, der von uns Menschen willkürlich in drei Ebenen geteilt wurde. Aber was interessiert eine mächtige Person wie Lilith schon die Vergangenheit, die Gegenwart oder auch die Zukunft? Nicht die Bohne, wie man so schön sagt. Es ist alles anders, verstehst du?«
    »Ja, ich verstehe…«
    »Sie kennt den Kreislauf der Zeit. Sie weiß, was geschehen wird, sie kann in das hineinsehen, was wir Menschen als Zukunft bezeichnen, und sie will, dass Assunga zurückkehrt.«
    Er stoppte seinen flüsternden Redefluss und ließ Tricia Zeit, sich die alte Hexe zu betrachten.
    Und alt war sie wirklich.
    Von ihrem Körper konnte sie nicht viel sehen, weil er in Lumpen gehüllt war, aber sie sah das Gesicht, und dessen Ausdruck sagte ihr eigentlich genug.
    Da sah die Haut zerknittert aus wie alter Stoff, der kurz zuvor angefeuchtet worden war.
    »Gefällt sie dir?«
    »Nein!« Kyle lachte leise, als er die Antwort hörte. »Das habe ich mir beinahe gedacht, aber sie wird dir noch gefallen, das kannst du mir glauben. Es dauert nicht mehr so lange, dann wirst du das wahre magische Wunder erleben. Sie und du - nur ihr beide. Ihr seid der Mittelpunkt. Ihr werdet das große Spiel in Bewegung setzen.«
    »Nein, das kann ich nicht!«
    »Doch, du kannst!«
    Kyles Stimme hatte sehr sicher geklungen. Tricia wusste nicht, vor wem sie am meisten Angst hatte.
    War es die Hexe, war es Kyle, oder waren es die Gestalten hinter dem Sarg, die Mitglieder der Schattenkirche, die noch dort standen und nur zuschauten?
    Sie hörte Kyles Schritte. Mit sehr langsamen Bewegungen umging er sie und trat an den Sarg.
    Schweigend machten ihm die anderen Platz.
    Kyle schaute Tricia über den Sarg hinweg an. Auf seinem dichten schwarzen Haar tanzten die Reflexe der feurigen Kerzenzungen, als würden zwischen den dichten Strähnen kleine, farbige Edelsteine stecken. Der Ausdruck seines Gesichts war starr geworden, nur seine Nasenflügel bewegten sich, als er einatmete.
    Irgendwie versuchte er, dieser Szenerie einen feierlichen Glanz zu geben, doch Tricia dachte anders.
    Für sie war es schaurig, unheimlich, und der Tod hielt bereits seine Krallenhände nach ihr ausgestreckt, obwohl sie ihn nicht sehen konnte.
    Assunga lag bewegungslos in ihrem gläsernen Sarg. Wie steif gefroren, und Tricia dachte an ihre beiden Sittiche, die grundlos und von einem Augenblick auf den anderen gestorben und, dabei noch vereist waren.
    Plötzlich fürchtete sie sich noch stärker. Etwas Kaltes rann über ihren Rücken wie ein schleimiger, langer Faden. Genau in dem Augenblick bückte sich Kyle.
    Er streckte dabei seine Hände aus und spreizte sie, als sie auf dem Sargdeckel lagen.
    Er drehte den Kopf.
    Zuerst sah er die Mitglieder der Schattenkirche an. Auch sie standen nicht mehr so wie zuvor. Zwar noch starr, aber sie hatten ihre Haltungen verändert und wirkten so, als hätten sie ihre Körper leicht nach hinten gedrückt.
    Dann drehte Kyle den Kopf.
    Sein Blick traf Tricias Gesicht!
    Er sagte nichts, aber in seinen Augen lag das Versprechen, es bis zum bitteren Ende durchzuführen.
    Gnade kannte er nicht…
    Er bewegte seine Finger, festigte so den Griff der Hände - und zog
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher