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0429 - Das Land der blauen Türme

Titel: 0429 - Das Land der blauen Türme
Autoren: Unbekannt
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das Sonnenlicht noch immer leicht und sehr schwach war. Nebelbänke begannen sich aufzulösen.
    Eine weitere Viertelstunde lang funkelten noch die Tautropfen auf den großen, vielfarbigen Blumen der Savanne. Die Blumen waren feucht und entsandten ihren strengen, eigentümlich reizenden Geruch, der durch den Irrgarten aus Ästen und Blättern zog wie dünner Rauch. Aber dann wurde das Licht schärfer und härter.
    Die Hufschläge der beiden Zentauren waren dumpf; die beiden Lebewesen gingen im Schritt. Es war ein Zentaurenmännchen und ein Weibchen - beides sehr junge Exemplare. Sie bewegten sich durch das Gras, und ihre Flanken rieben gegeneinander. An diesen Stellen war das Fell trocken, sonst dampfte es vor Nässe. Die Lichtstrahlen kamen weniger waagerecht, waren weniger vom Nebel gefiltert. Die Blätter und Gräser bewegten sich und schüttelten die Tautropfen ab. Der Glanz der Tautropfen verschwand. Der Wohlgeruch der Blüten erstarb, und ein neuer Duft breitete sich aus. Es war der stechende, faulige Duft der Verwesung. Die Hitze begann, alles in ihren Griff zu bekommen. Die beiden jungen Zentauren liefen zu einer Quelle, um zu trinken. In der Nähe der Quelle war ein Punkt im Gelände, an dem eine Salzader an die Oberfläche trat. Dort wollten sie sich einen Salzbrocken aus dem Gestein brechen und solange daran lecken, bis ihr Bedarf gestillt war. Plötzlich packte eine Art Angst die beiden Zentauren.
    Sie blieben stehen, wachsam und lautlos, drehten die Köpfe und musterten die Umgebung.
    Nichts.
    Niemand wusste, was diese beiden Wesen wirklich fühlten oder zu spüren glaubten; Schmerz, Panik, Angst oder Furcht, eine tierische Trostlosigkeit, die ihre wenigen klaren Gedanken umhüllte wie ein Spinnennetz.
    Sie gingen weiter.
    Sie erinnerten sich an nichts. Sie schauten vorwärts und verschwanden jetzt unter einem Blätterdach, in dessen Mitte, drei Meter tiefer, ein breiter, ausgetretener Pfad verlief. Viele Generationen von Neandertalern, Zentauren und Zyklopen hatten ihn benutzt.
    Nach wenigen Minuten hatten sie den kleinen, sauberen Bach erreicht.
    Weiter unterhalb tranken einige Tiere; sie ließen sie in Ruhe und knieten sich hin, um zu trinken. Das war das Signal.
    Bis an diese Stelle hatten die beiden Säbelzahntiger sie verfolgt.
    Sie waren lautlos, schnell und mit unendlicher Geduld auf der Fährte der beiden Zentauren geblieben. Jetzt schoben sie sich millimeterweise durch das Gras, teilten die starren Halme mit ihren furchtbaren Köpfen - der Wind stand gegen sie. Der wunderbar warme Geruch frischen Lebens machte die Raubtiere förmlich rasend, aber ihr Instinkt ließ es nicht zu, daß sie sich jetzt verrieten. Sie warteten, bis beide Wesen im feuchten Schlamm des Ufers knieten.
    Dann fauchte das Säbelzahntigermännchen kurz.
    Gleichzeitig sprang es.
    Und in der gleichen Zehntelsekunde verwandelte sich das Weibchen in einen fahlen, goldgelben Blitz, der waagrecht durch das Schilf setzte und genau auf dem Rücken des Zentaurmännchens landete. Lange, scharfe Krallen gruben sich tief in das schwarze Fell, und der Zentaur sprang in die Höhe und brüllte. Ein furchtbarer Prankenhieb traf sein Gesicht, dann zerfetzten die Krallen die Haut und bogen den Kopf nach unten. Die langen Fangzähne des Tigers zermalmten mit einem einzigen, harten Biss die Nackenwirbel, dann warf der Tiger den Körper um und öffnete mit einem einzigen Biss die Halsschlagader. Das Blut färbte das Wasser des Baches, und die trinkenden Tiere stoben davon. Der andere Tiger ritt einhundert Meter auf dem Rücken des Weibchens, dann erst gelang es ihm, dem anderen die Kehle aufzureißen.
    Minuten später hörte man nichts mehr als das Geräusch reißenden Fells, das Splittern zermalmter Knochen und das Schmatzen der beiden Tiger, mit dem sie ihre Beute aufrissen und die besten Bissen fraßen. Plötzlich erschienen am Himmel die Geier.
    Zuerst einer, dann zwei, dann viele.
    Sie zogen geduldig und abwartend ihre endlosen Kreise im warmen Aufwind. Der Wind trug ihnen den Geruch warmen, dampfenden, blutenden Fleisches zu, und sie wussten, welche Mahlzeit auf sie wartete. Es war nicht das erste Mal, und es würde auch nicht das letzte Mal sein. Als sich die Tiger faul und satt in die Dickichte legten, um dort zu verdauen, fielen die Riesenvögel wie Steine aus dem Himmel.
    Es wurden ihrer immer mehr. Und was sie, nach Stunden eines heftigen Kampfes, noch übrig liessen, holten sich abends und im Laufe der langen Nacht die kleinen
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