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0185 - Unser Hit in Harlem

0185 - Unser Hit in Harlem

Titel: 0185 - Unser Hit in Harlem
Autoren: Unser Hit in Harlem
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verabschiedete sich, sprach nacheinander zwei Frauen an. Dann unterhielt er sich mit einer Gruppe von Jungen, die ungefähr so alt wie der Gesuchte sein mussten, die ihm aber auch nicht helfen konnten, und danach geriet er wieder an einen großen Mann von verwildertem Aussehen.
    »Ich glaube, ich kann dir helfen«, sagte der Mann, als Walker mit seinem Anliegen herausrückte. »Ich kenne ’ne Familie Lynbett. Gib mir ’nen Dollar und ich zeige dir, wo sie wohnen.«
    Er kassierte den Dollar, führte den Polizisten durch zwei Höfe in eine verlassene Fabrikhalle und fiel dort über ihn her.
    Walker hatte solche Zwischenfälle einkalkuliert. Das Unternehmen des Mannes endete damit, dass er sich auf dem Fußboden fand, verschönt durch ein zuschwellendes Auge und eine geplatzte Oberlippe.
    Als Walker sich zu ihm beugte, um ihn wieder auf die Füße zu stellen, hob er abwehrend beide Arme, denn er fürchtete eine Fortsetzung.
    »Du interessierst mich nicht«, sagte Walker, »aber ich will wissen, ob du ’ne Familie Lynbett kennst oder nicht.«
    »Nein, ich kenne niemand, und bei uns gibt es keinen Lynbett.«
    Walker wusste, was er mit »bei uns« meinte. Die Schakale der Slums kennen sich untereinander alle.
    »Erkundige dich in den Baracken in der Nähe des Flusses«, sagte der Mann in der Hoffnung, Walker davon abzuhalten, ihn weiter zu bearbeiten. »Da wohnen die Südstaatler.«
    Unter »Südstaatler« wurden die Farbigen verstanden, die aus den südlichen Staaten der USA nach New York kamen. Walker folgte dem Rat des Straßenräubers. Er ging zu den Baracken und klopfte an die Türen der elenden Hütten. Er begegnete vielem Misstrauen, aber dann, es war inzwischen Mittag geworden, betrat er eine Hütte, in der eine große Frau zusammen mit sechs Kindern an einem Tisch saß. Sie war im Begriff, das Maisgericht auszuteilen. Ein Junge, der etwa zwölf Jahre alt sein musste, fiel dem Lieutenant sofort auf, und er änderte seine bisher übliche Frage ab.
    »Sind Sie Mrs. Lynbett?«, erkundigte er sich.
    Die Frau nickte verwundert. Walker zeigte mit dem Finger auf den Jungen.
    »Das ist Ihr Sohn Sammy, nicht wahr?«
    Bevor die Frau antworten konnte, sprang der Junge auf und hetzte wie eine Katze zum glaslosen Fenster.
    Walker schnitt ihm mit drei großen Schritten den Weg ab, packte ihn am Kragen. Der Junge zappelte. Seine Mutter fuhr hoch und ging kreischend gegen den Lieutenant an. Die anderen Kinder schrien wie am Spieß. Ein höllisches Durcheinander entstand. Walker musste brüllen, um sich verständlich zu machen und Mrs. Lynbetts Angriff zu stoppen. Eine Viertelstunde brauchte er, um der Frau verständlich zu machen, wer er war und warum er kam.
    »Mr. Nelson ist ermordet worden«, sagte er schließlich.
    Die Frau schüttelte den Kopf.
    »Aber Sammy ist jeden Abend zur Arbeit gegangen.«
    Walker beugte sich zu dem Jungen, der jetzt stillhielt. Nur manchmal lief ein Zittern durch seinen Körper.
    »Sammy«, fragte er sanft. »Du weißt, dass Richard Nelson tot ist?«
    Sammy nickte mit geschlossenen Augen.
    Walker fühlte, wie seine Kehle eng wurde. Seine Stimme klang rau, als er fragte: »Hast du gesehen, wie er ermordet wurde?«
    »Ja«, antwortete Sammy leise.
    ***
    Ich schlief wie ein Stein, aber, verdammt, ich war ein Stein mit Ohren, und das Telefon schrillte so lange hinein, bis ich munter wurde.
    Am liebsten hätte ich mich mit einem Fluch gemeldet.
    Eine Männerstimme drang an mein Ohr.
    »Hier ist Walker. Cotton, wir haben den Jungen aus der Wäscherei. Er war Augenzeuge des Mordes!«
    Die Nachricht reichte aus, um mich endgültig zu wecken.
    »Wo sind Sie, Walker?«
    »Schon in Ihrem Büro, Cotton!«
    »Ich komme sofort.«
    Im Handumdrehen stürzte ich mich in meine Kleidung. Zwischendurch fand ich noch Zeit, Phil anzurufen. Ich wusste nicht, ob ich ihn brauchen würde, aber es ist ein Prinzip, ihn nicht schlafen zu lassen, wenn ich mich von meinem Bett trennen muss. Er hält es ebenso. Solche kleinen Bosheiten geben einer Freundschaft erst die richtige Würze.
    Als ich, unrasiert, rotäugig und nur flüchtig gewaschen, mein Büro betrat, fand ich Lieutenant Walker in Zivil und einen netten, aber grässlich verschüchterten Jungen, der eine viel zu weite Hose und einen hundertfach gestopften Pullover trug.
    »Hallo, Sammy«, grüßte ich und hielt ihm die Hand hin. Er zögerte, aber dann legte er seine kleine dunkle Hand in meine große weiße. Ich griff nach dem Telefon und rief die Kantine
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