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0028 - Invasion der Monster

0028 - Invasion der Monster

Titel: 0028 - Invasion der Monster
Autoren: Susanne Wiemer
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hielt er mit dem linken Arm die Schatulle mit dem Buch umklammert, und er dachte nicht eine Sekunde lang daran, es zurückzulassen.
    Das Namenlose Buch!
    Die Krönung seines Lebens! Er würde der mächtigste Mann der Erde sein. Er würde die Schranken niederreißen, die die Sphären trennten, er würde das Urchaos neu erstehen lassen und eine andere Welt erschaffen! Schweiß verklebte seine Haut, wie ein Tier wühlte er sich durch den engen Gang vorwärts – aber in Gedanken hatte er sich bereits in eine schreckliche Gottheit verwandelt.
    Die Brombeerranken zerkratzten sein Gesicht, als er ins Freie taumelte. Er spürte es kaum. Tief sog er die klare, kühle Nachtluft ein, fühlte das Fächeln des Windes auf seiner heißen Haut und lauschte auf das dumpfe Poltern und Krachen, das tief aus der Erde kam und wie Donnerrollen verhallte.
    Nichts hatte sich verändert, als Daniel Karz wenig später die alte Kultstätte verließ.
    Immer noch ragten die schwarzen Felsen in den Himmel. Immer noch standen sie schweigend im Kreis, wirkten wie stumme Wächter – aber ringsum schien die Natur den Atem anzuhalten.
    Die Hand eines Menschen hatte der verfluchten Stätte ihr Geheimnis entrissen. Schreckliches würde geschehen. Unvorstellbar war die Gefahr, die unsichtbar über der Welt schwebte.
    Die Steine wußten es.
    Doch die Steine konnten nicht reden…
    ***
    Jim O’Mally trug schwarze Jeans, einen schwarzen Rollkragenpullover und eine schwarze Mütze, die seinen leuchtend roten Schopf verbarg. Normalerweise war er stolz auf diese Haarpracht, aber bei der Arbeit behinderte sie ihn. Jim O’Mally verdiente seine Brötchen, indem er nachts über glatte, für normale Sterbliche unerklimmbare Fassaden in Hotelzimmer einstieg und den Schmuck einsammelte, den die Ladies der High Society nur allzu leichtsinnig herumliegen ließen.
    O’Mally war ein Meister seines Fachs. Im Augenblick stand er im zwölften Stockwerk des »King Edward« mit den Zehenspitzen auf einem winzigen Sims, hatte die Finger in eine Mauerfuge gekrallt und schob sich geschickt wie eine Katze nach rechts. Der Londoner Nebel schützte ihn. Dicht vor seinem Gesicht schimmerte die feuchte Mauer, und in einiger Entfernung glänzten die Scheiben eines Fensters, dessen Lüftungsklappe aufstand.
    O’Mally brauchte fünf Minuten, um in das leere Zimmer zu gelangen.
    Ungeniert machte er Licht – er wußte, daß es nicht auffallen würde. Seine grünen Irenaugen glitten umher, er schnupperte. Rasierwasser, stellte er fest. Also wurde das Zimmer von einem Mann bewohnt, und das versprach keine übermäßig gute Ausbeute.
    Systematisch und in völliger Ruhe begann der Hoteldieb mit der Durchsuchung von Schubladen und Schränken. Er trug dünne schwarze Lederhandschuhe, Sonderanfertigungen, die das Fingerspitzengefühl kaum beeinträchtigten. Mit diesen Handschuhen hatte Jim O’Mally schon Safes kalt aufgemacht, bevor er darauf kam, daß man Schmuck und Bargeld auch mit wesentlich weniger Mühe einfach einsammeln konnte.
    Er fand ein paar Geldscheine, Manschettenknöpfe von geringem Wert – und schließlich, verborgen unter Wäschestücken, eine schwarze Schatulle.
    Seine Augen wurden schmal. Das Ding sah seltsam aus, fand er.
    Für Sekunden überfiel ihn ganz deutlich das Gefühl einer unsichtbaren Drohung, er fröstelte, dann schüttelte er ärgerlich den Kopf.
    »Quatsch«, brummte er und streckte die Hand aus, um den Deckel zu öffnen.
    Kaum hatten seine Finger das seltsame schwarze Material berührt, als es wie ein Stromstoß durch seine Gestalt ging.
    Er zuckte zurück.
    Schmerz schüttelte ihn, nutete in brennenden Wogen durch seinen Körper. War die Schatulle gesichert, hatte er einen elektrischen Schlag bekommen? O’Mally unterdrückte ein Stöhnen, starrte seine Hand an – und mit dem nächsten Atemzug erfaßte ihn eiskaltes Entsetzen.
    Seine Fingerspitzen waren nicht mehr da.
    Irgend etwas schien sie aufzufressen, sie lösten sich einfach in Luft auf. Schon hatte sich seine Hand in einen deformierten Stumpf verwandelt. Immer weiter drang das Unheimliche vor, der Auflösungsprozeß erfaßte sein Gelenk, seinen Unterarm und…
    O’Mally brüllte auf.
    Das panische Entsetzen schlug wie eine Woge über ihm zusammen. Immer noch starrte er seinen Arm an, starrte dahin, wo eben noch ein Arm gewesen war, und wie mit feurigen Krallen schien der Wahnsinn nach ihm zu greifen.
    Schreiend warf er sich herum, rannte zur Tür. Menschen finden, Hilfe – nur noch dieser
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