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Zeitoun (German Edition)

Zeitoun (German Edition)

Titel: Zeitoun (German Edition)
Autoren: Dave Eggers
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Kathy wollte wissen, ob ihr Mann, der zu jener Zeit weder schwule Freunde noch Angehörige hatte, das Logo vielleicht ändern wollte, damit sie nicht missverstanden wurden.
    Aber Zeitoun verschwendete kaum einen Gedanken daran. Ein anderes Logo würde einen Haufen Geld kosten, sagte er – es waren an die zwanzig Schilder angefertigt worden, ganz zu schweigen von all den Visitenkarten und dem Briefpapier –, und außerdem zahlten die vielen neuen Kunden schließlich ihre Rechnungen. So einfach war das.
    »Überleg doch mal«, sagte Zeitoun lachend. »Wir sind ein muslimisches Ehepaar, das in Louisiana einen Malerbetrieb hat. Da ist es nicht gerade ratsam, Kunden abzuweisen.« Wer mit Regenbögen ein Problem hatte, meinte er, der hatte mit Sicherheit auch eins mit dem Islam.
    Und damit blieb der Regenbogen.
    Zeitoun bog auf den Earhart Boulevard, doch ein Teil von ihm war noch immer in Dschabla. Jedes Mal, wenn er morgens an seine Kindheit dachte, fragte er sich, wie es wohl seiner Familie in Syrien ging, seinen vielen Brüdern und Schwestern und Nichten und Neffen, die verstreut an der Küste lebten, und denen, die diese Welt schon längst verlassen hatten. Seine Mutter war ein paar Jahre nach seinem Vater gestorben, und er hatte einen geliebten Bruder verloren, Mohammed, als er noch sehr jung war. Doch all seinen übrigen Geschwistern, denen, die noch in Syrien und Spanien und Saudi-Arabien lebten, ging es gut, sogar sehr gut. Die Zeitouns waren ein ungemein erfolgreicher Clan mit vielen Ärzten und Schulleitern und Generälen und Unternehmern, die allesamt eine Leidenschaft fürs Meer hegten. Sie waren in einem großen Steinhaus am Mittelmeer groß geworden, und auch heute lebten sie alle in Küstennähe. Zeitoun nahm sich vor, im Laufe des Tages in Dschabla anzurufen. Es gab immer neue Babys, immer Neuigkeiten. Er musste bloß eines von seinen Geschwistern erreichen – sieben lebten noch in Syrien –, dann würde er ausführlich auf den neusten Stand gebracht werden.
    Zeitoun schaltete das Radio ein. Der Sturm, von dem die Leute redeten, war noch immer unten in Florida und bewegte sich langsam nach Westen. Es wurde nicht erwartet, dass er es schon in den nächsten Tagen den Golf hinaufschaffen würde, wenn überhaupt. Während Zeitoun zu seinem ersten Auftrag des Tages fuhr, der Restaurierung einer herrlichen alten Villa im Garden District, suchte er im Radio einen anderen Sender.
    Kathy stand in der Küche, blickte auf die Uhr und erschrak. Es gelang ihr nur ganz selten, die Kinder rechtzeitig zur Schule zu bringen. Aber sie arbeitete daran. Genauer gesagt, sie nahm sich vor, daran zu arbeiten, sobald die Saison ruhiger wurde. Im Sommer brummte das Geschäft, weil so viele Leute wegfuhren, um der schwülen Hitze zu entfliehen, und während ihrer Abwesenheit gern ein paar Zimmer oder die Veranda gestrichen haben wollten.
    Mit hektischen Rufen und Armbewegungen scheuchte Kathy die Mädchen samt ihren Schulsachen in den Minivan und fuhr über den Mississippi zur West Bank.
    Dass Zeitoun und Kathy die Firma gemeinsam betrieben, hatte seine Vorteile – zu viele, um sie alle zu nennen –, aber eben auch Nachteile, die deutlich spürbar waren und zunahmen. So waren sie heilfroh darüber, dass sie ihre Arbeitszeiten selbst festlegen, sich ihre Kunden und Aufträge aussuchen und zu Hause sein konnten, wann immer es erforderlich war – die Möglichkeit, stets für die Kinder da sein zu können, war eine immense Beruhigung. Doch wenn Freunde Kathy fragten, ob sie sich ebenfalls selbstständig machen sollten, riet sie ihnen davon ab. Nicht du besitzt den Betrieb, sagte sie dann. Der Betrieb besitzt dich.
    Kathy und Zeitoun arbeiteten schwerer als alle, die sie kannten, und Arbeit und Sorgen hörten niemals auf. Ob abends, an den Wochenenden oder im Urlaub – wirkliche Erholung fanden sie nie. Sie hatten für gewöhnlich acht bis zehn Baustellen gleichzeitig, mit einem Büro zu Hause und einem Lager auf der Dublin Street, einer Parallelstraße der Carrollton Avenue. Hinzu kam noch die Verwaltung ihrer Immobilien. Irgendwann hatten sie angefangen, Apartment- und Einfamilienhäuser zu kaufen, und inzwischen besaßen sie sechs Immobilien mit achtzehn Mietern. Jeder Mieter war in gewisser Weise ein Abhängiger mehr, eine weitere Seele, für die sie Verantwortung trugen, die sie mit einem stabilen Dach über dem Kopf versorgen mussten, mit einer Klimaanlage, mit sauberem Wasser. Sie mussten eine schwindelerregende Zahl von
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