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Willküra (German Edition)

Willküra (German Edition)

Titel: Willküra (German Edition)
Autoren: Lucia Hodinka
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in der letzten Zeit ein wenig fad gewesen auf dieser Welt, meine Liebe?«, fingierte Jamel mit übertrieben hoher, piepsiger Stimme ein Quatsch-und-Tratsch-Runden-Gespräch, während er im Schrank weiter seine Kleidung durchsuchte.
    »Na, wie kommst denn du darauf?«, fiepste er in leicht höherer Stimmlage als zuvor und nahm dabei aus seinem T-Shirt-Stapel das waldgrüne raus. Es war sein liebstes. Darin hatte er damals die Schwester des Willkürherrschers kennen gelernt und seitdem hatte sein Leben einen anderen Wert. Durch sie hatte er eine Verbindung zum Hofe und allein in ihrer Nähe zu sein war für ihn mehr, als er sich je hatte träumen lassen.
    »Wo kommen denn diese«, fiepste er, hüstelte dann kurz und sprach normal weiter, »Flecken immer her?«, echauffierte er sich über einen Rotweinfleck auf dem Shirt und schmiss es zu der Dreckwäsche, während er sich weiter seinem kleinen Rollenspiel hingab.
    »Na, weil du das rote Halstuch trägst. Das weist ganz klar darauf hin, dass du die Herausforderung suchst. Nichts bleibt mir verborgen, denn ich kenne die Geheimnisse des Unbewussten! Noch Tee?«
    Kaffee trank sie ja nicht, die Schwester des Willkürherrschers und somit bot sie diesen auch ihrem Besuch nicht an. ‚Proletariergesöff’ nannte sie es und begann danach meist eine zu lange Rede, in der es nicht darum ging, den Zusammenhang zwischen Proletariern und Kaffee zu erklären, sondern wahrscheinlich einfach nur darum, sich selbst reden zu hören.
    »Hör zu, jetzt bekommst du eine wichtige Lektion, Jamel«, hatte sie ihm einmal gesagt, »solange man redet, kann man nicht überredet werden!«
    Und dann hatte sie ihn angelächelt, als sei dieses eine frohe Botschaft.
    Jamel schaute noch ein weiteres Mal seinen Schrank durch und entschied, dass es aussichtslos war.
    Ich geh jetzt erst mal zurück ins Bett, dachte er, und dann kann ich ja so eine Stunde vor Ende der 24-Stunden-Frist zu der Buchhandlung an der Ecke gehen und das Buch einfach kaufen. Danach hab ich ja sogar noch Zeit, mal wieder durch die Stadt zu spazieren.
    Er hatte sich zu lange nicht mehr in der Stadt gezeigt und bei der Gelegenheit könnte er der Schwester des Willkürherrschers auch noch eine Rose kaufen und eine kleine Flasche Sekt, denn damit war jede Frau war sofort glücklich zu machen.
    Jamel kuschelte sich gemütlich zurück in seine Decke und freute sich über seinen sehr gelungenen Plan. Warum machten immer alle so einen Stress, wenn die Welt so einfach sein konnte?!

8
     
    Der Willkürherrscher hatte Amanus inzwischen mit der Bitte allein gelassen, Gerolats ehemalige Unterkunft etwas realitätsnäher zu gestalten, damit sie bald gemeinsam die Räume beziehen könnten.
    Es war ihm nicht leicht gefallen, von ihr weg zu gehen, und auch Amanus war eine kleine Träne entglitten, aber er hatte keine Wahl, er musste nun ein wenig regieren. Oder, wie er sich jetzt angewöhnen wollte zu sagen: willküren.
    »Gerolat!«, hatte der Willkürherrscher auf den Leiterstufen hinunter mehrere Male laut gerufen, um dann einzusehen, dass dieser wohl nicht in der Nähe war und er seine Regierungsgeschäfte allein würde erledigen müssen.
    Er ging in sein Arbeitszimmer, in dem nichts stand außer einem riesengroßen Tisch von 4 Mal 4 Metern. So karg und ungemütlich hatte er es von seinem Vorgänger Fürchtedich IX. ( Während ihrer Amtszeit werden Willkürherrscher im Willkürherrschaftlichen Staat nur mit ihrer Funktion betitelt, einen Namen erhalten sie erst, wenn sie ihr Amt nicht mehr inne haben. Der Name dient in der Rückschau zur genauen Benennung, und somit zur einfacheren Unterscheidung. Im Willkürherrschaftlichen Staat gibt es, so kann man in den Archiven nachlesen, eine erstaunliche Anzahl u.a. der Namen »Fürchtedich«, »Angstmacherich«, »Schrecklich«, »Panikerzeuger« und »Grauenverbreiter«, aber es gibt auch einige Namen, die auf das Versagen im Amt hinweisen. ) übernommen.
    »Du kannst das Arbeitszimmer ändern«, hatte ihm Fürchtedich IX. damals gesagt, »aber ich rate dir dringend davon ab, Willkürherrscher! Generationen von Willkürherrschern haben an der Optimierung dieses Arbeitszimmers gefeilt, Willkürherrscher! Jede Änderung könnte eine zum Schlechten sein, Willkürherrscher!«
    »Aber doch auch eine zum Guten?«, hatte der Willkürherrscher gemutmaßt.
    »Du scheinst das Risiko zu lieben, Willkürherrscher!«, hatte Fürchtedich IX. gesagt und gelacht. »Das ist an sich nicht schlecht,
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