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Werke

Werke

Titel: Werke
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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zog ein italisches Messer, das in einer zierlichen Scheide am Gürtel gehangen, und war im Begriff, es seinem Gegner in die Brust zu stoßen, als alle umstehende Jünglinge, eines solchen Trauerspiels nicht gewärtig, hinzusprangen, sich zwischen die Jünglinge warfen und den Überwältigten ohnmächtig wegtrugen.
    Dieser Jüngling war aber Melchior Holzschuer geheißen und der Sohn eines der ersten Patrizier. Der schöne Jüngling stand noch immer da in drohender Stellung, das Messer hoch emporgehoben, mit zornsprühenden Augen und krampfhaft zusammengedrückter Stirn. Unter andern Umständen hätte sich wohl die Gestalt des Jünglings, so kräftig und heldenmäßig war sie anzusehen, dem Erzengel vergleichen lassen, wie er im Begriff steht, dem sich krümmenden Erbfeinde den Todesstreich zu versetzen.
    In dem Augenblick eilte auch ein Ratsherr mit der zahlreichen Stadtwache herbei. Sowie er den schönen Jüngling mit dem Mordmesser in der Hand erblickte, erblaßte er vor Schreck und rief: »Raphael, Raphael, schon wieder seid Ihr es, der Meuterei anfängt; schon wieder stört Ihr die Freuden Eurer Mitbürger. Was soll ich mit Euch machen? Fort, nach der Wache.«
    Da erst schien der Jüngling zu sich selbst zu kommen. »O Gott!« rief er, »o Gott! mein würdigster Herr. Der Schimpf war zu groß, zu entsetzlich, hier auf dieser Stelle, hier öffentlich unter dem Volke hat er mich geschimpft; – ich kann’s nicht wiederholen das Wort – – Bastard.« Der Jüngling stieß ein Geheul aus, indem er sich beide Fäuste vors Gesicht drückte.
    Die andern Jünglinge traten beschwichtigend auf den Ratsherrn zu und versicherten, daß der übermütige Patrizierssohn den jungen Maler wirklich ohne alle sonderliche Veranlassung auf die gerügte entsetzliche Weise beschimpft habe, so daß dieser wohl in Wut geraten und ihm zu Leibe gehen können. Ein Tränenstrom stürzte aus Raphaels Augen – er warf sich jedem der Jünglinge an die Brust und fragte schluchzend, ob er denn solch ein Mordgeselle sei, ob er denn überall Meuterei anfange, ob er nicht alle liebe, ob er nicht manches übereilte Wort einstecke, ob ihn nicht der böse Mensch aus der hellsten Fröhlichkeit zur höchsten Wut gereizt – darauf ließ er sich auf ein Knie vor dem Ratsherrn nieder, faßte seine Hand und benetzte sie mit Tränen, indem er sprach: »O mein würdiger Herr, gedenkt Eurer Mutter und sagt: was hättet Ihr getan in meiner Stelle?« –
    »Weil,« sprach der Ratsherr, »weil alle darin übereinstimmen, daß Ihr wirklich ohne Veranlassung auf die von Euch erzählte harte Weise angegriffen worden seid; vorzüglich aber aus Ehrfurcht gegen Euren Pflegevater, den großen Albrecht Dürer, will ich den Vorfall für heute nicht weiter rügen; doch müßt Ihr mir Eure Mordwaffe aushändigen; gebt mir Euer Messer her.« Da ergriff der Jüngling das Messer, drückte es heftig an seine Brust und sprach im Ton der innigsten Wehmut: »O mein würdigster Herr, Ihr greift mir an das Herz, wenn Ihr das von mir verlangt; ein besonderes Gelübde, das ich mir selbst getan, zwingt mich, dieses Messer nie von meiner Seite zu lassen. Seid barmherzig, würdigster Herr, fragt mich nicht mehr.« –
    »Ihr seid,« erwiderte der Ratsherr lächelnd, »Ihr seid ein wunderlicher Mensch, Raphael; doch habt Ihr etwas in Eurem ganzen Wesen, welches bewirkt, daß man Euch nicht so leicht etwas abschlägt. Aber steht hier nicht so müßig, ihr lieben Jünglinge, seid ihr der Leibesübungen satt, so mischt euch dort in jene fröhliche Haufen, welche sich ergötzen durch Gesang und Tanz. Reizen euch denn nicht die schönen Jungfrauen, die dort reihenweise daherziehen?«
    Da geriet Raphael plötzlich in Begeisterung; er warf den Blick in die Höhe und sang mit gar heller anmutiger Stimme in der stumpfen Schoßweis Hans Müllers:
    »Es steht am Firmament
    nur eine Sonnen, die brennt
    ins wunde Herz.
    Ein Schmerz,
    Ein Lieben nur,
    Ein Hoffen, Sehnen, Sterben,
    Ein Liebesfirmament,
    Ein Liebesfeuer brennt.
    O Königin!
    mein Sinn
    in dir nur lebt.
    Gibt’s noch ein anderes Leben?
    Die Sonn’ am Firmament,
    die Liebesglut, die brennt,
    sie gönnt
    mir tausend süße Schmerzen!
    O selig Feu’r, das brennt,
    Des Himmels Lust mir gönnt!
    Spring auf, o Brust,
    in Lust!
    Entströme Glut dem Herzen.«
    »Er ist in Liebe,« sprach einer von den Jünglingen zu dem Ratsherrn leise, »und wenn ich nicht irre, liebt er Mathilde, die schöne Tochter unseres würdigen Patriziers
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