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SchattenGrab

SchattenGrab

Titel: SchattenGrab
Autoren: Nané Lénard
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Bodenstein?“
    „Der ist doch dort am Krankenhaus, oder?“
    „Ja, seine Frau auch. Die Enkeltochter, also Justus Görlitz’ Tochter, ist vor rund fünf Wochen verschwunden. Und nun hat Thorsten Büthe eben ein Fax aus Esens bekommen. Am Strand von Neuharlingersiel ist der skelettierte Fuß eines Kindes angespült worden. In der Nähe lag wohl auch eine Mädchenuhr, die dem Kind gehört haben könnte. Thorsten hat mich gebeten, mich mal umzuhören.“
    „Oh je, vermutet er, dass das Kind ermordet worden ist?“
    „Alles ist möglich. Es gibt wohl überhaupt keine Anhaltspunkte, wohin die Kleine verschwunden sein könnte.“
    „Wie alt ist sie denn?“
    „Sieben, glaube ich.“
    „Dann müsste sie ja eher entführt worden sein. So ein kleines Kind läuft doch nicht von zu Hause weg“, überlegte Moni.
    „Das denke ich auch nicht, wobei es das aber schon gegeben hat.“
    „Ein Mädchen kann doch nicht einfach vom Erdboden verschwinden. Irgendjemand muss etwas gesehen haben.“
    „Vielleicht“, antwortete Wolf nachdenklich, „es könnte aber sein, dass das, was gesehen wurde, so normal war, dass es niemandem aufgefallen ist.“
    Moni nickte. „Das ist natürlich eine Möglichkeit. Es würde aber dafür sprechen, dass jemand Bekanntes sie mitgenommen hat.“
    „In der Tat, Frau Kommissarin! Du siehst also, wie dringend ich dich da oben brauche. Die Gespräche mit dir sind immer ein Gewinn“, sagte Wolf und meinte das nicht nur ermittlungstechnisch.
    Hetzer hatte sein Ziel erreicht. Moni hatte Blut geleckt. Das sah er an ihrem Blick.
    „Na gut, Wolf. Du hast gewonnen“, bestätigte sie seine Intuition, „aber ich bestehe darauf, jeden Tag ein außergewöhnliches Fischgericht zu bekommen. Mein Zimmer zahle ich selbst.“
    „Ersteres verspreche ich, über das Zweite reden wir noch.“
    „Nein“, sagte sie, „entweder so, oder gar nicht.“
    Wolf gab klein bei. „Also schön, wie du willst. Ich bin einfach froh, wenn du mitkommst.“
    Er hatte erkannt, dass er einen etwas längeren Atem brauchen würde, um sie endgültig davon zu überzeugen, dass sie generell ein gutes Team waren. Sein Vorteil war aber, dass sie ihn auf Teneriffa vermisst hatte und damit waren sie einen Schritt weiter als je zuvor.
    „Wann wollen wir los?“, wollte Moni wissen.
    „Am besten gleich morgen, so gegen Mittag?“, schlug Wolf vor. „Dann kann ich noch das eine oder andere regeln und du in Ruhe packen.“
    „Einverstanden“, sagte sie und stand auf.
    „Wollen wir nicht den Katern auf der Chaiselongue noch etwas Gesellschaft leisten?“
    „Lieber nicht, du weißt, wohin das führt. Ich fühle mich dann so wohl, dass ich einschlafe. Aber ich habe drüben noch genug zu tun.“
    Wolf ließ es für heute gut sein. „Okay, du hast ja recht, dann bringe ich dich zur Tür. Gute Nacht!“
    „Schlaf schön“, rief sie ihm von der Treppe aus zu und verschwand in der Dunkelheit.

Die von Bodensteins
    Dr. von Bodenstein war eine Koryphäe auf dem Gebiet der Frauen- und Geburtsheilkunde. Man sagte, er habe goldene Hände. Das konnte man von seinem Wesen jenseits des Klinikalltags nicht behaupten. Da war er ein schwieriger Mensch. Groß und hager von Gestalt wirkte er meist in sich gekehrt und manchmal mürrisch. Unter dem spärlichen Haupthaar und der faltigen Stirn nahmen seine wachen Augen alles wahr, vor allem das, was ihnen entgehen sollte.
    Mittlerweile war er über vierzig Jahre mit Charlotte verheiratet, und das sollte schon etwas heißen, denn seine Frau war das, was man gemeinhin einen Drachen nannte. Von Natur aus leicht reizbar, neigte sie auch zur Streitlust, und wenn sie erst einmal in Rage war, dann floh man besser. Entweder in einen anderen Raum, oder in sich selbst. Darin war Clemens Meister geworden. Er machte einfach dicht. An seinen Ohren schienen unsichtbare Klappen gewachsen zu sein, die er bei Bedarf anlegte. Manche ihrer Frequenzen hörte er allerdings tatsächlich nicht mehr, aber das lag eher am Tinnitus, der ihn tagein, tagaus quälte und auch in der Nacht marterte, wenn er wach lag.
    Im Klinikalltag jedoch war er ein ganz anderer Mensch. Freundlich und besonnen ruhte er in sich selbst. Auch die Patientinnen schworen auf ihn, weil er nicht nur fachlich kompetent war, sondern auch ein Herz für ihre Nöte hatte.
    Wer Clemens an beiden Orten erlebte, musste den Eindruck haben, dass er zwei Gesichter hatte, aber dasstimmte nicht. Es war eher so, dass sein goldenes verblasste und von einem Grau
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