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Roman

Roman

Titel: Roman
Autoren: Nadja Nollau
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sie anflehte, zu ihm zurückzukommen. Darauf folgte für gewöhnlich der Höhepunkt in diesem Affentheater: Sophies großer Auftritt. Sie ließ sich huldvoll dazu herab, ihm gnädig zu verzeihen, und nach einer wunderbaren Versöhnung kehrte sie wie die Königin von Saba zu ihm zurück. Bis auf weiteres. Dieses Hin und Her hatte Kristina bisher viermal so erlebt. Und für heute hatte ihre Tochter sich erneut angekündigt.
    Na ja, die werden sich schon wieder zusammenraufen. Kristina seufzte leise. Sophies Beziehungsprobleme bereiteten ihr kein Kopfzerbrechen mehr. Philipp hatte ihr klargemacht, dass seine Schwester die Rolle der Drama-Queen genoss und dass somit kein Grund bestand, dass Kristina darunter litt. Außerdem freute Kristina sich auf ihre Tochter. Sie würde sich um sie kümmern, sie trösten und sie bemuttern – eben Mutter Teresa spielen. Schließlich war es ja nur für kurze Zeit. Länger als drei, vier Tage hatten die Trennungen bisher nie gedauert. Auch diesmal würde es ein kurzes Intermezzo werden, da war sich Kristina sicher.
    Während sie auf dem Weg nach oben immer zwei Stufen auf einmal nahm, überlegte sie, ob Peter schon mit den Zwillingen über die Schwangerschaft gesprochen hatte. Kristina beschloss, mit ihrem Vater darüber zu reden, was sie gerade von Frau von Dannewald erfahren hatte. Atemlos kam sie oben an.
    Seit dem Tod von Kristinas Mutter vor zwei Jahren wohnte ihr Vater wieder bei ihr. Unter dem Dach hatte sie ihm eine kleine Wohnung eingerichtet. Der Senior war lange nicht über den Tod seiner Frau hinweggekommen und hätte sich beinahe selbst aufgegeben. Daraufhin hatte Kristina ihn dazu überredet, zu ihr zu ziehen. Ein Arrangement, das gut funktionierte.
    Sie klopfte an die Tür. „Papa, bist du da?“, fragte sie und lauschte. Sie klopfte noch einmal, wartete einen Augenblick, dann öffnete sie die Tür und trat ein.
    Die Dachwohnung war verwaist. Sofort stieg Kristina ein ledriger Duft in die Nase. Sie schnupperte. Diesen Geruch kannte sie nicht. Sie hatte bisher nichts anderes als den Geruch von Rasierwasser an ihrem Vater wahrgenommen. Und hätte sie ihm nicht irgendwann ein neues aus der Stadt mitgebracht, würde er immer noch Old Spice benutzen. Aber dieser Duft, der hier durch die Räume waberte, stammte eindeutig von einem Eau de Toilette.
    „Papa benutzt Parfüm“, stellte Kristina verwirrt fest. Nicht, dass sie daran etwas auszusetzen hätte. Was sie so überraschte, war die Tatsache an sich. Schließlich hatte er noch nie Parfüm benutzt. Es lag etwas in der Luft, daran bestand kein Zweifel.
    Kristina ging in das Badezimmer ihres Vaters und entdeckte den Flakon auf der Ablage über dem Waschbecken. KNIZE stand darauf. Sie schraubte den Deckel ab. Daher stammte also der herbe Duft.
    „Nicht schlecht, Herr Specht“, schnaubte sie, schraubte das Fläschchen zu und stellte es zurück. Der Duft hatte eindeutig narkotisierende Wirkung. Sie würde ihn bei nächster Gelegenheit darauf ansprechen.
    Ratlos stand sie da und dachte darüber nach, was sie mit dem angebrochenen Feierabend anfangen sollte. Die Lust zum Joggen war ihr vergangen. Dann kümmere ich mich halt um die Buchhaltung, entschied sie im Stillen. Sie ging wieder hinunter in die leere Praxis und setzte sich an Ritas Schreibtisch. Lustlos heftete sie einige Rechnungen hinter den jeweiligen Kontoauszügen ab und kontrollierte Ein- und Ausgänge. Nach wenigen Minuten klappte sie den Aktenordner jedoch zu. Es gelang ihr einfach nicht, sich darauf zu konzentrieren. Ständig musste sie an ihren Vater und das Parfüm denken. Was war da im Gange, was hatte sie übersehen, mit welchen Neuigkeiten musste sie noch rechnen? Erst Peter, jetzt Klaus.
    Das Klingeln ihres Mobiltelefons riss sie aus den Gedanken. Es war Philipp, und sie plauderten kurz miteinander. Spontan lud Kristina ihn zum Abendessen ein. Sie wollte mit ihm, Sophie und ihrem Vater Klaus über die neuesten Entwicklungen reden. Philipp sagte gleich zu, bat aber darum, einen Freund mitbringen zu dürfen, mit dem er eigentlich verabredet war. Natürlich war Kristina damit einverstanden. Sie hatte immer ein offenes Haus geführt, in das ihre Kinder jederzeit Freunde mitbringen konnten. Und ob sie jetzt für vier oder fünf Personen kochte, machte ja überhaupt keinen Unterschied.
    Nach dem Telefonat grübelte sie, was sie kochen sollte. Für eine Terrine, wie sie eigentlich geplant hatte, blieb keine Zeit mehr. Spargel geht am schnellsten, dachte sie.
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