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Penthesilea - ein Trauerspiel

Penthesilea - ein Trauerspiel

Titel: Penthesilea - ein Trauerspiel
Autoren: Heinrich von Kleist
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Oberpriesterinn .
Hinweg, du Scheußliche!
Du Hades-Bürgerinn! Hinweg, sag’ ich!
Nehmt diesen Schleier, nehmt, und deckt sie zu.
(sie reißt sich den Schleier ab, und wirft ihn der Königinn ins Gesicht)
    Die erste Amazone .
O die lebend’ge Leich’. Es rührt sie nicht – !
    Die Zweite .
Sie winket immer fort –
    Die Dritte . Winkt immer wieder –
    Die Erste .
Winkt immer zu der Priestrinn Füssen nieder –
    Die Zweite .
Seht, seht!
    Die Oberpriesterinn .
Was willst du mir? hinweg, sag’ ich!
Geh’ zu den Raben, Schatten! Fort! Verwese!
Du blickst die Ruhe meines Lebens todt.
    Die erste Amazone .
Ha! man verstand sie, seht –
    Die Zweite . Jetzt ist sie ruhig.
    Die Erste .
Den Peleïden sollte man, das wars,
Vor der Diana-Priestrinn Füßen legen.
    Die Dritte .
Warum just vor der Diana-Priest’rinn Füssen?
    Die Vierte .
Was meint sie auch damit?
    Die Oberpriesterinn . Was soll mir das?
Was soll die Leiche hier vor mir? Laß sie
Gebirge decken, unzugängliche,
Und den Gedanken deiner That dazu!
War ich’s, du – Mensch nicht mehr; wie nenn’ ich dich?
Die diesen Mord dir schrecklich abgefordert? –
Wenn ein Verweis, sanft aus der Liebe Mund.
Zu solchen Gräuelnissen treibt, so sollen
Die Furien kommen, und uns Sanftmuth lehren!
    Die erste Amazone .
Sie blicket immer auf die Priestrinn ein.
    Die Zweite .
Grad’ ihr ins Antlitz –
    Die Dritte . Fest und unverwandt,
Als ob sie durch und durch sie blicken wollte. –
    Die Oberpriesterinn .
Geh’, Prothoe, ich bitte dich, geh’, geh’,
Ich kann sie nicht mehr sehn, entferne sie.
    Prothoe . (weinend)
Weh mir!
    Die Oberpriesterinn .
Entschließe dich!
    Prothoe . Die That, die sie
Vollbracht hat, ist zu scheußlich; laß mich sein.
    Die Oberpriesterinn .
Fass’ dich. – Sie hatte eine schöne Mutter.
– Geh, biet’ ihr deine Hülf’ und führ’ sie fort.
    Prothoe .
Ich will sie nie mit Augen wiedersehn! –
    Die zweite Amazone .
Seht, wie sie jetzt den schlanken Pfeil betrachtet!
    Die Erste .
Wie sie ihn dreht und wendet –
    Die Dritte . Wie sie ihn mißt!
    Die erste Priesterinn .
Das scheint der Pfeil, womit sie ihn erlegt.
    Die erste Amazone .
So ist’s, ihr Fraun!
    Die Erste . Wie sie vom Blut ihn säubert!
Wie sie an seiner Flecken jeden wischt!
    Die Dritte .
Was denkt sie wohl dabei?
    Die Zweite . Und das Gefieder,
Wie sie es trocknet, kräuselt, wie sie’s lockt!
So zierlich! Alles, wie es sich gehört.
O seht doch!
    Die Dritte . Ist sie das gewohnt zu thun?
    Die Erste .
That sie das sonst auch selber?
    Die erste Priesterinn . Pfeil und Bogen,
Sie hat sie stets mit eigner Hand gereinigt.
    Die Zweite .
O heilig hielt sie ihn, das muß man sagen! – –
    Die zweite Amazone .
Doch jetzt den Köcher nimmt sie von der Schulter,
Und stellt den Pfeil in seinen Schafft zurück.
    Die Dritte .
Nun ist sie fertig –
    Die Zweite . Nun ist es geschehen –
Nun sieht sie wieder in die Welt hinaus – !
    Mehrere Frauen .
O jammervoller Anblick! O so öde
Wie die Sandwüste, die kein Gras gebiehrt!
Lustgärten, die der Feuerstrom verwüstet,
Gekocht im Schoos der Erd’ und ausgespieen,
Auf alle Blüthen ihres Busens hin,
Sind anmuthsvoller als ihr Angesicht.
    Penthesilea . (ein Schauer schüttelt sie zusammen; sie läßt den Bogen fallen)
    Die Oberpriesterinn .
O die Entsetzliche!
    Prothoe (erschrocken)
Nun, was auch giebt’s?
    Die erste Amazone .
Der Bogen stürzt’ ihr aus der Hand danieder!
    Die Zweite .
Seht, wie er taumelt –
    Die Vierte . Klirrt, und wankt, und fällt – !
    Die Zweite .
Und noch einmal am Boden zuckt –
    Die Dritte . Und stirbt,
Wie er der Tanaïs gebohren ward.
    (Pause)
    Die Oberpriesterinn . (sich plötzlich zu ihr wendend)
Du, meine große Herrscherinn, vergieb mir!
Diana ist, die Göttinn, dir zufrieden,
Besänftigt wieder hast du ihren Zorn.
Die große Stifterinn des Frauenreiches,
Die Tanaïs, das gesteh’ ich jetzt, sie hat
Den Bogen würd’ger nicht geführt als du.
    Die erste Amazone .
Sie schweigt –
    Die Zweite .
Ihr Auge schwillt –
    Die Dritte . Sie hebt den Finger,
Den blutigen, was will sie – Seht, o seht!
    Die Zweite .
O Anblick, herzzerreißender, als Messer!
    Die Erste .
Sie wischt sich eine Thräne ab.
    Die Oberpriesterinn . (an Prothoes Busen zurück sinkend)
O Diana!
Welch eine Thräne!
    Die erste Priesterinn .
O eine Thräne, du Hochheil’ge,
Die in der Menschen Brüste schleicht,
Und alle Feuerglocken der Empfindung zieht.
Und: Jammer! rufet, daß das ganze
Geschlecht, das leicht
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