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Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern

Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern

Titel: Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern
Autoren: Margot Kaessmann
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allein lebt, muss weder einsam noch beziehungslos sein! Ich finde es schwierig, wenn eine Hierarchie von sinnvollen Lebensentwürfen vorgegeben wird. Da muss jeder einen Partner, eine Partnerin finden, um glücklich zu sein. Wie viele Paare aber sind unglücklich! Und wie anstrengend sind Partnersuchen bei Agenturen wie „parship“ oder „elitepartner.de“! Da treffen sich zwei Menschen nicht spontan und können unbefangen erleben, wie sie sich gegenseitig wahrnehmen, sondern stehen schon beim ersten Treffen unter dem Druck: Könnte der andere oder die andere „passend“ sein für eine ernsthafte Beziehung? Das ist nur belastend, denke ich.
    Ein Mensch, der allein lebt, muss sich heute rechtfertigen, das ist absurd. Bundesumweltminister Peter Altmaier musste sich jüngst gegen Gerüchte verteidigen, er sei schwul, weil er unverheiratet lebt. Er sagt: „Ich leide nicht darunter, ich bin auch nicht depressiv, und jeder, der mich kennt, wird bestätigen können, dass ich ein sonniges Gemüt und eine kindliche Freude am Leben habe ( …). Ich bin ein sehr geselliger und kommunikativer Mensch. Doch der liebe Gott hat es so gefügt, dass ich unverheiratet und allein durchs Leben gehe.“ 91 Eine kluge Antwort aus innerer Freiheit heraus.
    In unserer Gesellschaft gilt Alleinsein geradezu als Makel. Ständig muss ich twittern, mich austauschen, mitteilen, kommunizieren. Hilmar Klute schreibt: „Das Alleinsein gehört wie das Entspannen, das Essen und das Nichtausgebranntsein zu den Lebenstechniken, die offenbar behutsam wieder erlernt werden müssen. … Aber hätte es keine Menschen gegeben, die gerne allein sind, stünden wir heute weitgehend ohne Kultur da.“ 92 Alleinsein ist keine Lebensform, das ist klar. Aber ob ich nun als Single lebe, in einer Partnerschaft, in einer Familie: Alleinseinkönnen ist eine Übung, die hilft, mich zu sortieren, mir die Chance gibt, mir Gedanken zu machen über Gott und die Welt im wahrsten Sinne des Wortes.
    Manches Mal habe ich den Eindruck, Singles werden beäugt, als seien sie defizitär. Oder sie erscheinen merkwürdig, weil andere sich nicht vorstellen können, allein zu leben. Beziehungen sind ein großer Schatz, in Partnerschaften und Familien leben ist eine Bereicherung, aber oft auch eine Belastung. Mit mir selbst allein sein können ist eine eigene Erfahrung, die nicht zu unterschätzen ist. Sie braucht erst einmal Kraft, kann sich dann aber zu Stärke entwickeln, weil ich nicht davonlaufe, sondern mit mir allein sein kann ohne Ablenkung, mit Gedanken, die das Leben existentiell betreffen und nicht schnell durch Pflichten oder Termine übergangen werden. Letzten Endes brauchen alle Menschen solche Phasen des Alleinseins, ob Single oder nicht, um nach Lebenstiefe zu suchen.
    Homosexuelle Beziehungen
    In den Kirchen wird immer wieder heftig diskutiert, was es bedeutet, dass es ganz offensichtlich Menschen gibt, die gleichgeschlechtlich lieben. Als ich 1999 zur Bischöfin gewählt wurde, war ich sofort konfrontiert mit der Frage, wie ich zum Thema „Homosexualität“ stünde. Das war eine heftige Herausforderung, weil es zuallererst nicht um Menschen und ihr Leben ging, sondern um den Schlagabtausch zwischen „richtig“ und „falsch“. Ich erinnere mich, dass ich gebeten wurde, zu einem Treffen zu kommen; ich würde abgeholt, es gehe um schwierige Themen. Am Ende stellte sich heraus, dass es um Mitarbeiterinnen der Landeskirche ging, die in lesbischen Partnerschaften lebten, aber allergrößte Angst hatten, das könne publik werden. Keine wollte mir ihren Namen nennen. Mich hat das unruhig gemacht: Darf es denn solche Angst geben in der Kirche? Wer will denn urteilen über die Liebe eines Menschen?
    Später gab es einen runden Tisch, an dem alle offiziellen Gremien der Landeskirche vertreten waren und ebenso Vertreter der Gemeinschaften, die aus ihrem Bibelverständnis heraus homosexuelle Liebe ablehnen, aber auch Menschen, die selbst homosexuell lieben. Es wurde kein Konsens gefunden. Aber die Beteiligten gelangten am Ende zu der Position: Wir achten einander als Christen, auch wenn wir verschiedener Auffassung sind. Das hielt ich für eine gut protestantische Position. Seit 2010 gibt es ein Pfarrerdienstrecht der EKD, das dies offiziell ermöglicht.
    Deutlich ist: Alles sieht immer ganz anders aus, wenn es nicht um den Schlagabtausch mit Bibelzitaten geht, sondern um konkrete Menschen. Ich denke an einen Pfarrer, der darum bat, seine Lebenspartnerschaft eintragen
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