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Matharis Kinder (German Edition)

Matharis Kinder (German Edition)

Titel: Matharis Kinder (German Edition)
Autoren: Bernadette Reichmuth
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Tisch gesetzt, wo sie hingebungsvoll zu essen begann.
    Wenige Augenblicke später betrat Janael die Küche. Er hatte noch für ein paar Minuten allein an den Gräbern verweilen wollen. Nun blieb er wie angewurzelt im Türrahmen stehen. Als sehe er einen Geist am Tisch sitzen, starrte er die junge Frau an.
    „M – Marita“,  stammelte er.
    Klirrend fiel der Löffel aus der Hand des Mädchens in den Teller. Ihr Blick flatterte zwischen ihrer Mutter und dem fremden alten Mann hin und her.
    Rasch legte Punja die Silberglockenstängel in ihrer Hand auf den Tisch und eilte an die Seite ihres geisterbleich gewordenen Gastes.
    „Verzeih”, sagte sie, „ich habe ganz vergessen, dir zu sagen, dass meine Tochter ihrer Großmutter sehr ähnlich sieht. Das muss wirklich ein Schock für dich sein.”
    Als wüsste er nicht, ob er wachte oder träumte, betrat Janael die Küche. Keinen Moment ließ er das rotgolden umrahmte Gesicht der jungen Frau aus den Augen. Nun stand er vor ihr. 
    Sie erhob sich, brachte ihr Gesicht nahe an seines, als suchte sie in seinen Zügen nach einem geheimen Zeichen. Sie war nur wenige Zentimeter kleiner als der alte Mann.    
    „Du kanntest Großmutter? Wer ...“ Bevor sie die begonnene Frage zu Ende gedacht hatte, fuhr die Antwort wie ein Blitz durch ihren K örper. „Du ... du bist Janael!“ flüsterte sie. Dann wich sie zurück, bis die Kante des Tisches sie stoppte. „Du bist zurückgekommen – jetzt – wo sie tot ist!“ Die letzten Worte waren Schreien, Weinen und hysterisches Lachen zugleich.
    Janael schwieg. Was hätte er sagen können, zu diesem Gesicht, zu diesen Augen? Er hob die Hände, ließ sie wieder sinken, weil auch seine Hände nichts ausrichten, nichts besänftigen konnten. Mit hängenden Schultern wandte er sich ab und verließ das Haus. Die steinerne Bank neben dem Eingang, auf der er sich niederließ, hatte sich vollgetrunken mit den Sonnenstrahlen des vergehenden Tages. Ebenso die Mauer, an die sie gebaut war. Der alte Mann ließ sich nieder, schloss die Augen und lehnte seinen Rücken gegen die warmen Steine.
    Als sich die Türe noch einmal öffnete, wusste er, wer herauskam und an ihm vorbei rannte: Maritas Enkelin. Das wundervolle, herzzerreißende Abbild seiner toten Geliebten.
    Das Mädchen lief den Hang hinauf. Zu den Gräbern.    
     
    In atemloser Spannung hatte Torian das dramatische Aufeinandertreffen von Punjas Tochter und seinem alten Gefährten verfolgt. Kaum hatte Janis das Haus verlassen, begann sein Herz wie wild zu klopfen. Es war ihm unmöglich, weiter sitzen zu bleiben. Als er aufsprang, stieß sein Knie so heftig an dem Unterbau des Tisches, dass ihm schwarz vor Augen wurde. Noch bevor die Wucht des Schmerzes sein Gehirn erreichen konnte, stürmte er aus dem Haus.
    Krachend fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.
    Mit finsterem Gesicht starrte Punja dem jungen Peonier hinterher.
     
    Erst nachdem Torian Janis eingeholt hatte, konnte er die beiden Gräber sehen. Das sehr Kleine und das Größere. Zwei stille, blumengeschmückte Hügel, auf denen der Abendwind mit roten, gelben und weißen Blütenköpfchen spielte. Als wäre das Feuer ihres erstorbenen Herzens auf die Blumen übergegangen, flammte es blutrot und sonnengelb über Maritas letzter Ruhestätte. Weiße Blütensterne bezeugten die Reinheit des Kindchens, dessen kleiner Körper längst zu Staub zerfallen war.
    Mit hängenden Armen, aus den Augenwinkeln zu ihr hinüber sehend, betrachtete Torian Maritas Enkelin. 
    Noch nie war er jemandem von den ‚Anderen’ so nahe gewesen. Bis jetzt war ihm deren Haut immer fahl, geradezu käsig erschienen. Dieses Gesicht jedoch war alles andere als fahl. Das schnelle Laufen hatte eine zarte Röte auf die Wangen des Mädchens gezaubert. Der Wind trieb ein neckisches Spiel mit kupferfarbenen Locken und einem fein gezeichneten Ohr. 
    Janis’ Profil hatte die Strenge einer Wüstenblume. Eine lange, gerade Nase, hohe Wangenknochen, ein kräftig gezeichneter Mund.
    „Du kannst dir nicht vorstellen, was für eine Frau sie war“, sagte sie nach einer Weile, ohne Torian anzusehen.
    Hingerissen lauschte der junge Blumenhüter ihrer Stimme. Warm und dunkel war sie, wie das sonnenbeschienene Ge fieder eines Raben. „Für mich gab es keinen mutigeren und weiseren Menschen als sie. Alle haben sie verehrt. Immer wusste sie einen Rat. Sie hatte so viel Liebe. Ich … ich habe sie angebetet.“
    In Janis‘ Augen glitzerten Tränen.
    Still blieb Torian
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