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Kommissar Joakim Hill - 02 - Die Frau im Schatten

Kommissar Joakim Hill - 02 - Die Frau im Schatten

Titel: Kommissar Joakim Hill - 02 - Die Frau im Schatten
Autoren: Bodil Mårtensson
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Leben, das dort drinnen in seiner zunehmend ungastlichen Umgebung vielleicht immer noch zu überleben versuchte, Raum geben wollten – Raum zum Atmen.
    Die Stimmung schien sich auf die wachsende Anzahl von Zuschauern zu übertragen. Obwohl die Menschen viel zu weit vom Auto entfernt standen, um mitzubekommen, was sich dort abspielte, warteten sie dennoch in atemloser Stille.
    Das Rettungspersonal stand weiterhin in Bereitschaft neben der Trage. Die Decken waren schon ausgebreitet, bereit, zu umhüllen und zu wärmen. Selbst der Fahrer stand bereit – gewillt, mit Vollgas zurück in die Stadt zur Intensivstation und einem posthumen Kaiserschnitt zu fahren.
    Der Wagen stand im Leerlauf hinter ihnen, und das Signal auf seinem Dach warf dramatisch sein blaues Licht in rotierenden Kaskaden auf die unschuldigen Gärten der umliegenden Villen.
    Immer im Kreis herum tanzte es und sandte seinen unwirklichen Schein über die Szenerie, während der junge Arzt mitten in der Umklammerung des Todes nach Leben suchte. Er konnte nicht wissen, ob sich das Kind inzwischen gedreht hatte und bereits mit dem Kopf nach unten lag.
    Das Herz konnte sich also überall befinden.
    Eine Sekunde.
    Nichts.
    Eine weitere Sekunde – nichts.
    Er bewegte die Membran weiter über den immer stärker auskühlenden Bauch der Frau. Systematisch und in geometrischen Mustern führte er sie Zentimeter für Zentimeter über den leblosen Leib.
    Mit keiner Miene verriet er, was seine Hände fühlten. In dieser Hinsicht war er längst ein gewiefter Pokerspieler.
    Hill war gezwungen zu atmen.
    Gårdeman schaute ihn an, sah wieder eine Sekunde vorbeifliegen und wandte den Blick unmittelbar zurück zum Arzt.
    Der beließ das Stethoskop auf einem bestimmten Punkt und horchte intensiv. Die Augen schienen jetzt ein wenig zu leuchten. In einem letzten Versuch, irgendein entscheidendes Nebengeräusch zu erhalten, drehte er den Kopf des Stethoskops von der Membran auf den Trichter. Mit sicherer Hand hielt er die doppelten Schläuche hoch und biss die Zähne fester als nötig zusammen.
    Er horchte – rechnete.
    Horchte wieder.
    Bewegte das Instrument nicht.
    Horchte nur.
    Als ob er intensiv eine Antwort aus dem Inneren, das den ganzen Kosmos des Ungeborenen ausmachte, erhoffte.
    Ein Meer, ein Heim – eine Unendlichkeit für das Kind da drinnen.
    Horchte verzweifelt, obgleich er bereits verstand.
    Hill wollte etwas sagen, hielt sich aber zurück. Er wartete noch ein wenig. Geduldete sich noch eine unfassbar lange Sekunde.
    Endlich nahm der Notarzt die Stöpsel aus den Ohren, wand sich vorsichtig rückwärts aus dem Coupé und konstatierte, was keiner hören wollte.
    »Nein, leider – es gibt keine Lebenszeichen.«
    »Aber … aber …«
    Hill hätte die Wirklichkeit am liebsten verändert.
    »Aber wenn Sie schnell ins Lazarett fahren …?«, versuchte er.
    Der junge Mann schüttelte abwehrend den Kopf. Er fühlte sich ebenso machtlos, denn er hatte mindestens genauso intensiv gehofft wie der Polizist. Gehofft, dass das Leben wider Erwarten mitten in der Tragödie triumphieren würde. Doch was sollte er sagen? Er hatte es im Grunde ja schon gewusst, als er die Nase ins Auto steckte.
    »Nein, das macht keinen Sinn. Es lohnt nicht, Ihre Fahndung für etwas, das ohnehin vollkommen sinnlos ist, zu vernachlässigen. Führen Sie Ihre Untersuchungen zu Ende, dann schicken wir einen Leichenwagen, der sich um den Leichnam kümmert.«
    »Sind Sie ganz sicher?«
    »Ja, lassen Sie die Kriminaltechniker sofort beginnen.«
    Gårdeman setzte sich, noch bevor der Satz abgeschlossen war, über Funktelefon mit der Zentrale in Verbindung. Die Techniker waren unterwegs.
    Hill folgte dem Arzt auf dem Weg zum Krankenwagen, merkte jedoch plötzlich, wie eine der Zuschauerinnen sich über das Absperrband beugte und die Aufmerksamkeit auf sich lenkte.
    Es war auch eine junge Frau, aber Gott sei Dank ganz lebendig.
    »Hallo, Kvällsposten« ,stellte sie sich vor, das Tonbandgerät schwingend. »Darf ich einige Fragen stellen?«
    »Nein, nicht jetzt«, murmelte Hill und beeilte sich, ihrer Jagd nach brandaktuellen Nachrichten zu entkommen und nicht ohne einen geplagten Seitenblick dem Arzt zu folgen.
    »Leider gab es nicht die allergeringste Hoffnung«, setzte der junge Mann hinzu und stellte die schwere Arzttasche an den für sie vorgesehenen Platz im Auto zurück. »Das war offenkundig, sobald ich sie zu Gesicht bekam. Aber ich hatte natürlich die Pflicht, eine genaue Untersuchung
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