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Gold. Pirate Latitudes

Gold. Pirate Latitudes

Titel: Gold. Pirate Latitudes
Autoren: Michael Crichton
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hatte sie ihn nicht.
    Schließlich wurde auch Anne in einem Haus eingesperrt, das der Familie eines Mr Sewell gehörte. Sie pflegte die ältere Mrs Sewell – die Mutter des Hausbesitzers –, als sich bei Mr Sewell die Schwellungen zeigten. Das Haus wurde unter Quarantäne gestellt. Anne pflegte die Kranken, so gut sie konnte. Einer nach dem anderen in der Familie erkrankte und starb. Die Leichen wurden den Totenkarren übergeben. Schließlich war sie ganz allein im Haus und wie durch ein Wunder noch immer bester Gesundheit.
    Erst da stahl sie ein paar Goldsachen und die wenigen Münzen, die sie finden konnte, floh dann in der Nacht durch das Fenster im ersten Stock und über die Dächer Londons. Ein Wachtmeister griff sie am nächsten Morgen auf und wollte wissen, woher ein junges Mädchen so viel Gold hatte. Er nahm das Gold und steckte sie ins Zuchthaus Bridewell.
    Dort schmachtete sie einige Wochen lang, bis Lord Ambritton, ein wohltätiger Gentleman, bei einem Rundgang durch das Zuchthaus auf sie aufmerksam wurde. Anne hatte längst die Erfahrung gemacht, dass Gentlemen ihren Anblick ansprechend fanden. Lord Ambritton bildete da keine Ausnahme. Er sorgte dafür, dass sie in seine Kutsche gesetzt wurde, und nach einigen Tändeleien ganz nach seinem Geschmack versprach er ihr, sie in die Neue Welt zu schicken.
    Kurz darauf war sie auch schon in Plymouth und dann an Bord der Godspeed. Während der Fahrt hatte Captain Morton, jung und kraftvoll, wie er war, an ihr Gefallen gefunden, und da er ihr in seiner Kajüte frisches Fleisch und andere Leckerbissen zu essen gab, war sie hocherfreut, ihn näher kennenzulernen, was sie fast jede Nacht tat.
    Jetzt war sie hier, an diesem neuen Ort, wo alles fremd und unbekannt war. Aber Angst hatte sie keine, denn sie war sicher, dass der Gouverneur sie mochte, genau wie die anderen Gentlemen sie gemocht und sich um sie gekümmert hatten.
    Nach dem Baden zog man ihr ein gefärbtes Wollkleid und eine Baumwollbluse an. Es waren die schönsten Sachen, die sie seit über drei Monaten getragen hatte, und es war ein schönes Gefühl, den Stoff auf der Haut zu spüren. Die Schwarze öffnete die Tür und forderte sie mit einem Wink auf, ihr zu folgen.
    »Wohin gehen wir?«
    »Zum Gouverneur.«
    Sie wurde einen großen, breiten Flur hinuntergeführt. Der Boden war aus Holz, aber uneben. Sie fand es seltsam, dass ein so wichtiger Mann wie der Gouverneur in einem so primitiven Haus wohnte. Viele einfache Gentlemen in London hatten elegantere Häuser als das hier.
    Die Schwarze klopfte an eine Tür, und ein anzüglich dreinblickender Schotte öffnete sie. Dahinter sah Anne ein Schlafgemach. Der Gouverneur stand in einem Nachthemd neben dem Bett und gähnte. Der Schotte bedeutete ihr mit einem Nicken einzutreten.
    »Aha«, sagte der Gouverneur. »Mistress Sharpe. Ich muss sagen, Eure äußere Erscheinung hat sich durch Eure Ablutionen deutlich verbessert.«
    Sie wusste nicht genau, wovon er sprach, aber wenn er zufrieden war, dann war sie es auch. Sie machte einen Knicks, wie ihre Mutter es ihr beigebracht hatte.
    »Richards, Ihr könnt uns allein lassen.«
    Der Schotte nickte und schloss die Tür. Sie war mit dem Gouverneur allein. Sie beobachtete seine Augen.
    »Hab kein Angst, meine Liebe«, sagte er mit gütiger Stimme. »Du hast nichts zu befürchten, Anne. Komm her ans Fenster, wo das Licht gut ist.«
    Sie tat wie geheißen.
    Er betrachtete sie einige Augenblicke lang schweigend. Schließlich sagte er: »Du weißt, du wurdest in deinem Prozess der Hexerei bezichtigt.«
    »Ja, Sir. Aber das stimmt nicht, Sir.«
    »Da bin ich ganz sicher, Anne. Aber es wurde behauptet, du trägst die Stigmata eines Paktes mit dem Teufel.«
    »Ich schwöre, Sir«, sagte sie, und zum ersten Mal wurde sie unruhig. »Ich habe nichts mit dem Teufel zu schaffen, Sir.«
    »Ich glaube dir, Anne«, sagte er mit einem Lächeln. »Aber es ist meine Pflicht, mich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass keine Stigmata vorhanden sind.«
    »Ich schwöre es Euch, Sir.«
    »Ich glaube dir«, sagte er. »Aber du musst deine Kleidung ablegen.«
    »Jetzt, Sir?«
    »Ja, jetzt.«
    Sie sah sich ein wenig ungläubig im Raum um.
    »Du kannst deine Sachen aufs Bett legen, Anne.«
    »Ja, Sir.«
    Er sah ihr beim Entkleiden zu. Sie bemerkte, was sich in seinen Augen abspielte. Sie hatte keine Angst mehr. Die Luft war warm, sie fühlte sich auch ohne Kleidung wohl.
    »Du bist ein wunderschönes Kind, Anne.«
    »Danke,
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