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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke
Autoren: Edgar Allan Poe
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erwiderte einer der Burschen. »Wenigstens hat sich kein anderer als Eigentümer gemeldet. Wir fingen es ein, als es dampfend und schäumend vor Wut aus den brennenden Ställen des Schlosses Berlifitzing daherfloh. Wir nahmen an, dass es zu des alten Grafen Gestüt ausländischer Rosse gehörte, und führten es als einen Durchgänger zurück. Aber die Stallknechte dort erheben keinen Anspruch auf das Pferd, und das ist doch seltsam, denn es zeigt sichtbare Spuren, dass es mit knapper Not den Flammen entronnen ist.«
    »Auch trägt es deutlich die Buchstaben W. v. B. auf der Stirn eingebrannt«, ergänzte ein zweiter Bursche. »Ich dachte natürlich, es wären die Zeichen von Wilhelm von Berlifitzing – aber alle im Schloss leugnen durchaus, das Pferd zu kennen.«
    »Höchst seltsam!«, sagte der junge Baron nachdenklich – und offenbar ohne selbst zu wissen, was er sagte. »Es ist, wie Ihr sagt, ein merkwürdiges, ein wundersames Tier! Allerdings auch, wie Ihr ebenfalls richtig bemerkt, von argwöhnischem und unfügsamem Wesen. – Gut also, sei es mein!«, setzte er nach einer Pause hinzu. »Ein Reiter wie Friedrich von Metzengerstein kann vielleicht selbst noch den Teufel aus dem Stall der Berlifitzing bändigen.«
    »Sie sind in einem Irrtum, Herr; das Pferd stammt, wie wir wohl bereits sagten,
nicht
aus den Ställen des Grafen. Wäre das der Fall, so hätten wir unsere Pflicht besser gekannt, als es vor eine so hohe Persönlichkeit Ihrer Familie zu bringen.«
    »Allerdings wahr«, bemerkte der Baron trocken. In diesem Augenblick kam eilig und mit roten Wangen ein junger Kammerdiener aus dem Schloss herbeigelaufen. Er berichtete dem Herrn im Flüsterton, dass in einem der oberen Zimmer – er bezeichnete es näher – ein kleines Stück Wandverkleidung plötzlich verschwand. Er erzählte allerlei Einzelheiten, aber so leise, dass die Neugier der Stallburschen nicht auf ihre Rechnung kam.
    Der junge Friedrich schien während dieses Berichtes sehr erregt. Bald jedoch fand er seine Ruhe wieder, und mit einer Miene voll böser Entschlossenheit gab er den kurzen Befehl, dass das fragliche Zimmer sogleich zu verschließen und der Schlüssel ihm selbst zu übergeben sei.
    »Haben Sie von dem unglückseligen Tod des alten Berlifitzing gehört?«, fragte einer der Untergebenen den Baron, als der Diener sich wieder entfernt hatte und das riesige Ross, das der Edelmann soeben in Besitz genommen, mit verdoppelter Wut die lange Allee hinunterstürmte, die das Schloss mit den Stallungen der Metzengerstein verband.
    »Nein!«, wandte der Baron sich hastig an den Sprecher. »Tot, sagst du?«
    »Wahrhaftig ja, Herr! Und einem Edlen Ihres Namens wird diese Nachricht, wie ich mir denke, nicht unwillkommen sein.«
    Ein flüchtiges Lächeln flog über das Antlitz des andern. »Wie starb er?«
    »Bei seinem eiligen Bemühen, seine Lieblingspferde zu retten, kam er selber elend in den Flammen um.«
    »Wahr – haf – tig?«, sagte der Baron langsam, als übermanne ihn allmählich die Überzeugung von der Wahrheit eines aufregenden Gedankens.
    »Wahrhaftig!«, beteuerte der Knecht.
    »Entsetzlich!«, sagte der Jüngling ruhig und kehrte ins Schloss zurück.
    Von dieser Stunde an war das Betragen des jungen Baron Friedrich von Metzengerstein ein gänzlich anderes. Wirklich, sein Benehmen täuschte alle Erwartungen und machte die Wünsche zunichte, die so manche berechnende Mutter im Stillen gehegt hatte. Mehr noch als bisher wich er in Manieren und Gewohnheiten von den Sitten der benachbarten Aristokratie ab. Er wurde nie mehr außerhalb der Grenzen seiner eigenen Besitzungen gesehen und war auf der weiten geselligen Welt ohne jeden Gefährten – es sei denn, dass das unnatürliche, wilde feuerfarbene Pferd, das er jetzt täglich ritt, irgendein geheimnisvolles Recht auf diese Bezeichnung gehabt hätte.
    Die Nachbarschaft aber schickte noch immer ihre Einladungen: »Will der Baron unser Fest mit seiner Gegenwart beehren?«, »Will der Baron uns auf einer Eberjagd Gesellschaft leisten?« – »Metzengerstein jagt nicht«, »Metzengerstein kommt nicht«, waren seine lakonischen Antworten.
    Solche wiederholten Beleidigungen mochte der hochmütige Adel sich nicht lange gefallen lassen. Die Einladungen wurden weniger herzlich, weniger häufig, und schließlich hörten sie ganz auf. Die Witwe des unglücklichen Grafen Berlifitzing sprach sogar die Hoffnung aus, es möge einmal dahin kommen, dass der Baron genötigt sei, zu Hause zu bleiben,
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