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Fruehstueck mit Proust

Fruehstueck mit Proust

Titel: Fruehstueck mit Proust
Autoren: Frédérique Deghelt
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Augen ein herausforderndes Funkeln, das sie an ihm nicht kannte, das aber unter einem Lächeln augenblicklich erlosch. Er war wieder der, den sie kannte. Jade wusste nicht, was sie sagen sollte. Man konnte jemandem Mut machen, der den Glauben an etwas verloren hatte, oder jemandem gut zureden, der zweifelte – aber was sollte man einem Menschen sagen, der sich aus so edlen Motiven für eine andere Karriere als diese entschieden hatte?
    »Wofür bist du bestimmt? Die Musik, die ich gerade gehört habe, war großartig, aber deine Entscheidung ist es ebenso.«
    Rajiv stand auf, um sie zu küssen.
    »Du bist der erste Mensch, der mich wirklich versteht. Der diese Dinge nicht voneinander trennt.«
    »Genau. Hast du noch nie daran gedacht, dass sie sich ergänzen, dass du beides leben könntest? Vielleicht deine Forschungen mit deinen Konzerten finanzieren?«
    Rajiv verschlang sie mit glänzenden Augen. Ja, daran hatte er in letzter Zeit schon öfter gedacht. Er hatte von einem Arzt gehört, der sein Leben zwischen Krankenhaus und Musik teilte. Warum also nicht ein Labor mit den Klavierkonzerten finanzieren? Jade kannte diesen Arzt.
    »Wenn du ihn kennenlernen möchtest«, sagte sie, »eine Freundin von mir hat einen Artikel über ihn geschrieben, sie kann sicher noch einen Kontakt zu ihm herstellen.«
    »Meinst du? Mein Fall liegt allerdings ein bisschen anders als seiner, ich würde in einem Labor arbeiten, das Generika erforscht … Ich habe zwar noch Verbindungen zur Welt der Musik, ich könnte private Konzerte organisieren. Er aber ist ein bekannter Konzertpianist.«
    Jade las in seinem Schweigen.
    »Ich werde dir helfen. Ich kann Artikel für dich schreiben, ich werde deine PR-Frau sein.«
    »Kämst du mit mir nach Indien?«
    Sie traute sich nicht zu sagen, dass sie ihm überallhin folgen würde. Jade wusste nichts über dieses Land, aber was sie wusste, genügte. Man musste fortgehen, um zu lieben, oder umgekehrt, das hatte sie vergessen. Sprichwörter aus allen möglichen Ländern kamen ihr in den Sinn. Wer in Angst lebt, lebt nur halb. Wer nicht losgeht, kommt nicht an. Seine innersten Lebenswünsche zu verneinen heißt, seine Todessehnsüchte zu bejahen. Man bereut nicht die getroffene Wahl, sondern die ungenutzte Chance … Und was riskierte sie schon? Jade dachte an Julien, an die langen Monate, in denen sie nicht wagte auszusprechen, dass sie ihn verlassen wollte. Sie überlegte, was wohl passiert wäre, wenn sie aus Angstvor dem Alleinsein bei ihm geblieben wäre, sie dachte an Rajiv, der am nächsten Tag in einer Metrostation auf sie gewartet hatte, ohne zu wissen, ob er ihr noch einmal begegnen würde. Was ihm wohl gerade in diesem Moment durch den Kopf ging?
    Sie umklammerte die Tasse mit ihrem Zaubertrank und lächelte. Was er da wohl hineingetan hatte? Natürlich würde sie mit ihm gehen. Ihren Beruf konnte sie überall ausüben, dort oder anderswo, sie würde immer etwas finden, worüber sie schreiben konnte, auch dort. Aber Mamoune … Ihr Herz zog sich zusammen. »Mach dir keine Sorgen um sie, Jade.« Rajiv hatte den Schatten auf ihrem Gesicht bemerkt. »Mamoune nehmen wir mit nach Indien. Alte Menschen werden bei uns geachtet wie Könige. Sie wird mitten in unserer Familie leben. Meine Eltern haben London verlassen, nachdem mein Vater seine politischen Ämter aufgegeben hat. Er ist jetzt im Ruhestand. Er lebt nun auf seinem Gut, seinen Ländereien. Du musst nämlich wissen, dass ich nicht nur Schwede, sondern auch so etwas wie ein Fürst bin!«
    »Hör auf, mich auf den Arm zu nehmen.«
    »Nein, wirklich. Du hättest es ohnehin irgendwann erfahren, und es hat auch nicht viel zu bedeuten in einem Land, in dem so großes Elend herrscht. Aber Mamoune hat einen sicheren Platz in unserer Familie. Ich habe zwei oder drei angeheiratete Tanten in ihrem Alter, die auch in dem großen Haus meines Vaters leben. Sie sind sehr glücklich und sehr angesehen. Sie sind die Weisen unserer Sippe. Und um es gleich vorwegzunehmen, unser Anwesen verfügt über keinerlei Reichtümer. Nur ein Haus, etwas Land für den Gemüseanbau, und als alte Fürstenfamilie werden wir allseits respektiert.Selbst wenn ein Fürst ruiniert ist, behält er dort sein Ansehen …«
    Jade hörte ihm nicht mehr zu. Was würde Mamoune wohl davon halten, wenn sie wüsste, wie sie hinter ihrem Rücken ihre Zukunft planten? War es nicht egoistisch? Würde sie überhaupt Lust haben fortzugehen, jetzt, wo sie ihrem geliebten Freund Albert begegnet
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