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Frozen Time (German Edition)

Frozen Time (German Edition)

Titel: Frozen Time (German Edition)
Autoren: Katrin Lankers
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Im Rausgehen drückt sie auf ein TouchPad neben der Tür. Im ersten Moment ist das Holo so riesig, dass ich nur verschwommene Schatten darauf erkennen kann. Ich hebe meine linke Hand und führe Daumen und Zeigefinger aufeinander zu. Es ist eine reflexartige Bewegung meiner Finger, die mir niemand beibringen musste. Das Bild an der Wand zoomt zusammen, gleichzeitig bewegt es sich auf mich zu, sodass die Übertragung direkt vor mir im Raum schwebt.
    Das ganze Zimmer ist erfüllt von den fulminanten Klängen des Gemeinschaftsliedes, während vor meinen Augen die Erste Metropole aus dem Nichts erwächst. Zuerst sehe ich nur den Power Tower, der sich bis in den Himmel zu strecken scheint, alles überstrahlend im gebündelten Sonnenlicht. Dann öffnet sich der Blick immer weiter, fliegt über die niedrigen Bezirke der Seniorblocks mit ihren Wasserläufen und Parks, hin zu den höher und höher wachsenden Gebäuden, je weiter es in die äußeren Bezirke bis hin zu den Juniorblocks geht. Schließlich erstreckt sich die ganze Metropole vor dem Betrachter. Die Spiegel, die auf jedem Gebäude installiert sind und die Sonnenstrahlen zurEnergieerzeugung auf den Power Tower werfen, zaubern eine geschlossene Lichtkuppel über die Metropole. Nun erklingt der letzte Akkord des Gemeinschaftsliedes und ein Moderator tritt ins eingefrorene Bild.
    »Wie geht es dir, Tessa«, begrüßt er mich mit der allgemein gebräuchlichen Grußformel und lächelt mich an.
    Ich erwidere das Lächeln automatisch, obwohl ich weiß, dass er es gar nicht sehen kann. Er spricht meinen Namen jedes Mal aus, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. Ich weiß natürlich, dass die Übertragung entsprechend eingestellt ist, trotzdem überläuft mich immer wieder ein Schauer.
    Warum kennt dieser Fremde meinen Namen, wenn ich mich selbst nicht daran erinnern kann?
    Der Moderator ist ein Senior, man erkennt es an seinem silbrig weißen Haar mit den goldenen Strähnen, das akkurat geschnitten um sein gebräuntes Gesicht liegt. Falten sind in diesem Gesicht kaum zu sehen, sicher hat er schon eine Reihe von kosmetischen Operationen hinter sich.
    »Was möchtest du dir heute anschauen?«, fragt mich der Moderator. Während er mir die Titel der verschiedenen Folgen nennt, erscheinen sie gleichzeitig neben ihm auf dem eingefrorenen Panorama.
    Die Große Epidemie
habe ich bereits gesehen. In der Folge geht es um die verheerende Pockenepidemie im Jahr 2035, bei der fast die gesamte Bevölkerung des damaligen Europas zwischen sechzehn und sechzig Jahren starb. Nur die älteren Bürger waren durch einen früheren Impfschutz immun, und die jüngeren überlebten, weil die Hilfsorganisationen sie so schnell wie möglich in abgeschotteten Auffanglagern unterbrachten.
    Die Jahre des Neubeginns I und II
habe ich mir ebenfalls angeschaut: Die Folgen beschreiben den Aufbau von zehn autarken Metropolen, in denen alle Bürger der Vereinigten Europäischen Nationen leben und bestmöglich versorgt werden können. Darin geht es außerdem um die gesellschaftliche Neuordnung, bei der das Geburtensystem der Regierung eingeführt und das veraltete System Familie abgeschafft wurde, damit Kinder und Jugendliche, kurz Juniors, in JuniorCentern die für sie optimale Förderung erhalten, während alle Adults und Seniors einer der Gemeinschaft dienlichen Arbeit nachgehen können.
    Mit einem unterdrückten Seufzen entscheide ich mich für
Medizinische Forschung und Erfolge.
    »Eine gute Wahl«, sagt der Moderator denselben Satz wie jedes Mal. »Viel Spaß.«
    Obwohl ich mir bewusst bin, dass es meine Pflicht wäre, mich auf die Übertragung zu konzentrieren, folge ich der Sendung eher unaufmerksam. Ich weiß ja bereits, dass Gesundheit und langes Leben zu den obersten Zielen der Staatengemeinschaft erhoben wurden. Entsprechend wurde die medizinische Forschung gefördert, und mittlerweile ist es gelungen, für die einstmals großen Volkskrankheiten sowie für die meisten tödlichen Infektionskrankheiten Heilmethoden zu entwickeln. Durch die hervorragende medizinische Versorgung und die gesunde Lebensführung, die von allen Bürgern erwartet wird, ist die Lebenserwartung sprunghaft auf bis zu 130   Jahre angestiegen.
    Nur manchmal tauchen wie aus dem Nichts gefährliche Erreger auf, so wie das Virus, das mich befallen hat – aber darüber berichten sie natürlich nicht in der Dokumentation.
    Woher weiß ich es dann?,
frage ich mich, als ein mir bestensbekannter Jingle mich aus meinen Gedanken
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