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Flucht aus Lager 14

Flucht aus Lager 14

Titel: Flucht aus Lager 14
Autoren: B Harden
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müssen. Viele von ihnen schaffen es niemals, auf die Beine zu kommen.
    In den Vereinigten Staaten kann man ähnliches beobachten. Cliff Lee, ein in Korea geborener US -Amerikaner, der in Alexandria in Virginia lebt, hat in den letzten Jahren Nordkoreanern Unterkünfte besorgt und in ihren Anpassungsproblemen ein Muster erkannt: »Sie wissen, dass alles, was man ihnen in Nordkorea gesagt hat, gelogen war, und sie brauchen in Amerika sehr lange, bis sie irgendetwas glauben, was ihnen eine Organisation sagt.«
    Song war untröstlich über Shins Entscheidung auszuziehen. Sie machte sich Vorwürfe, dass sie ihm nicht von Anfang an klargemacht hatte, dass er für sich selbst verantwortlich sei. Wie sie mir sagte, bekümmert es sie am meisten, dass sie nicht weiß, was Shin für den Rest seines Lebens vorhat.

NACHWORT
    Kein Entrinnen
    Im Februar 2011, wenige Tage nach seinem Bruch mit LiNK, flog Shin nach Norden in den Bundesstaat Washington. Er zog bei Harim und ihren Eltern in Sammamish ein, einem Vorort von Seattle an den Ausläufern der Cascade Mountains.
    Sein plötzlicher Umzug überraschte mich. Ich machte mir wie meine Freunde in Los Angeles Sorgen, dass er impulsiv handelte und ohne einen guten Grund Brücken hinter sich abbrach. Doch sein Umzug vereinfachte zweifellos unsere Zusammenarbeit, schließlich lebe ich zufällig auch im Bundesstaat Washington. Nachdem ich Tokio und die Washington Post hinter mir gelassen hatte, war ich wieder nach Seattle gezogen, um an diesem Buch zu arbeiten. Als Shin mich zu Hause anrief und mir in gebrochenem Englisch mitteilte, wir seien jetzt Nachbarn, lud ich ihn sofort zu einer Tasse Tee ein.
    Unsere gemeinsame Arbeit ging dem Ende entgegen, und Shin hatte sein Wort gehalten. Er hatte mir erlaubt, mich in den dunkelsten Winkeln seiner Vergangenheit zu bewegen. Aber ich brauchte noch ein wenig mehr: ein besseres Gefühl für das, was er in Zukunft wollte. Als er in meinem Wohnzimmer zusammen mit Harim auf der Couch saß, fragte ich ihn, ob ich ihre Wohnung besichtigen dürfe. Ich wollte Harims Eltern kennenlernen.
    Shin und Harim waren zu höflich, um die Bitte abzulehnen. Stattdessen sagten sie, das Haus sei nicht richtig aufgeräumt. Sie wollten nach einem besseren Zeitpunkt suchen und sich dann bei mir melden. Ohne es direkt auszusprechen, hatten sie deutlich gemacht, dass es ihnen lieber sei, wenn meine lange Befragung zu einem Ende käme, und zwar bald.
    Er und Harim hatten sich zu einer NGO mit der Bezeichnung North Korea Freedom Plexus zusammengetan. Um diese Nichtregierungsorganisation zu finanzieren, hofften sie auf Spenden, und Shin beabsichtigte, häufig Vorträge zu halten. Es war ihr ambitionierter Plan, Zufluchtsstätten für Flüchtlinge einzurichten, die sich nach China gerettet hatten, und regimekritische Flugblätter nach Nordkorea zu schmuggeln. Zu diesem Zweck, erklärte Shin, sei er zweimal in die Grenzregionen Chinas gereist, und er werde auch in Zukunft wieder dorthin fahren. Als ich ihn fragte, ob er nicht befürchte, in China entführt oder verhaftet zu werden, wo doch bekanntlich nordkoreanische Agenten Jagd auf nordkoreanische Flüchtlinge machten und sie verschleppten, entgegnete er, sein südkoreanischer Pass schütze ihn und außerdem sei er grundsätzlich sehr vorsichtig. Doch war das keine Antwort, die seinen Freunden genügte – sie warnten ihn davor, wieder nach China einzureisen.
    Lowell und Linda Dye – das Ehepaar aus Columbus, das meinen ersten Artikel über Shin 2008 gelesen und einen Teil seiner Reisekosten in die Vereinigten Staaten übernommen hatte – waren enttäuscht und besorgt, als sie hörten, dass er sich von LiNK getrennt hatte und nach Seattle gezogen war. Die Dyes und die Kim-Familie in Riverside, Kalifornien, erklärten Shin, dass die Gründung einer NGO ein riskantes Unternehmen sei und es für ihn sinnvoller wäre, wenn er weiterhin in einer bereits eingeführten und finanziell gut abgesicherten Organisation arbeiten würde.
    Shin hat zu den Dyes ein herzliches Verhältnis. Er nennt sie seine »Eltern« und nimmt ihre Bedenken ernst. Nachdem er nach Seattle gezogen war, nahm er ihre Einladung an, nach Columbus zu fahren und dort gemeinsam mit ihnen einige Wochen zu verbringen, während Harim zu Hause in Seattle blieb.
    Die Dyes wollten Shin dabei helfen, sein künftiges Leben zu organisieren. Lowell, der als Unternehmensberater arbeitet, war der Meinung, dass Shin einen Agenten, einen Geldverwalter und einen Rechtsanwalt
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