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Ernest Hemingway

Ernest Hemingway

Titel: Ernest Hemingway
Autoren: Ernest Hemingway
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und seitdem war nicht mehr geschossen worden. Aber das Gesicht dieses Offiziers sah wie das Gesicht eines Mannes bei einem Bombardement aus. Da war dieselbe Gespanntheit, und die Stimme klang nicht natürlich. Sein Revolver machte Nick nervös.
    «Stecken Sie ihn weg», sagte er. «Der ganze Fluß ist zwischen denen und Ihnen.»
    «Wenn ich dächte, daß Sie ein Spion wären, würde ich Sie jetzt erschießen», sagte der Leutnant.
    «Los, kommen Sie», sagte Nick. «Gehen wir zum Bataillon.» Der Offizier da machte ihn sehr nervös.
    Hauptmann Paravicini, der stellvertretend als Major fungierte und der dünner und englischer denn je aussah, stand auf, als Nick in dem Unterstand, der als Bataillonshauptquartier, diente, hinter dem Tisch salutierte.
    «Hallo», sagte er. «Ich habe Sie nicht erkannt. Was machen Sie denn in der Uniform da?»

    «Man hat mich da hineingesteckt.»
    «Ich freue mich sehr, Sie zu sehen, Nicolo.»
    «Gut. Sie sehen wohl aus. Wie war die Vorstellung?»
    «Wir haben einen prachtvollen Angriff gemacht. Wahrhaftig, einen prachtvollen Angriff. Ich will es Ihnen zeigen. Sehen Sie her.»
    Er zeigte auf die Karte, wie der Angriff verlaufen war.
    «Ich komme aus Fornaci», sagte Nick. «Ich konnte sehen, wie es gewesen ist. Es war ausgezeichnet.»
    «Es war ganz außergewöhnlich. Ganz außergewöhnlich. Sind Sie dem Regiment zugeteilt?»
    «Nein, ich soll umherziehen und die Uniform vorführen.»
    «Wie merkwürdig.»
    «Wenn sie eine amerikanische Uniform sehen, soll sie das davon überzeugen, daß noch mehr kommen werden.»
    «Aber woher sollen sie denn wissen, daß es eine amerikanische Uniform ist?»
    «Sie müssen es ihnen sagen.»
    «Ach so, ich verstehe. Ich werde Ihnen einen Unteroffizier mitgeben, der Sie herumführen kann, und Sie werden eine Tournee durch die Gräben machen.»
    «Wie ein Scheißpolitiker», sagte Nick.
    «In Zivil wären Sie viel distinguierter. Das wäre wirklich distinguiert.»
    «Mit einem steifen Hut», sagte Nick.
    «Oder mit einem sehr seidigen Filzhut.»
    «Meine Taschen sollten eigentlich mit Zigaretten und Postkarten und solchem Zeugs vollgestopft sein», sagte Nick. «Ich sollte einen Sack voll mit Schokolade haben. Das Ganze sollte ich dann mit ein paar freundlichen Worten und einem Klaps auf die Schultern verteilen. Aber es gab keine Zigaretten und Postkarten und keine Schokolade. Also sagten sie, ich solle mal auf jeden Fall die Runde machen.»
    «Ich bin überzeugt, daß Ihr Anblick sehr ermutigend auf die Truppen wirken wird.»
    «Bitte nicht», sagte Nick. «Mir ist es sowieso schon gräßlich genug, wie es ist. Im Prinzip hätte ich Ihnen eine Flasche Cognac mitgebracht.»
    «Im Prinzip», sagte Para und lächelte zum erstenmal und zeigte dabei seine gelblichen Zähne. «Solch ein wunderbarer Ausdruck. Möchten Sie einen Grappa trinken?»
    «Nein, danke sehr», sagte Nick.
    «Es ist kein Äther darin.»
    «Ich hab den Geschmack immer noch auf der Zunge.» Nick erinnerte sich plötzlich und ganz genau.

    «Wissen Sie, daß ich nicht wußte, daß Sie betrunken waren, bis Sie zu sprechen anfingen, als wir in dem Transport zurückfuhren?»
    «Ich war stinkbesoffen bei jedem Angriff», sagte Nick.
    «Ich kann’s nicht», sagte Para. «Ich hab’s bei der ersten Vorstellung versucht, der allerersten Vorstellung, und es warf mich bloß völlig um, und dann wurde ich schrecklich durstig.»
    «Sie brauchen es nicht.»
    «Sie sind viel tapferer bei einem Angriff als ich.»
    «Nein», sagte Nick. «Ich weiß, wie ich bin, und ich zieh vor, mich zu besaufen. Ich schäm mich nicht deswegen.»
    «Ich hab Sie nie betrunken gesehen.»
    «Nein?» sagte Nick. «Niemals? Nicht, als wir damals nachts von Mestre nach Portogrande fuhren, und ich einschlafen wollte und mein Rad als Decke benutzte und es mir bis unters Kinn zog?»
    «Das war nicht in der vordersten Linie.»
    «Wir wollen nicht darüber reden, wie ich bin», sagte Nick. «Das ist ein Thema, über das ich zuviel weiß, um noch weiter darüber nachdenken zu wollen.»
    «Sie können eigentlich eine Weile hierbleiben», sagte Paravicini. «Wenn Sie wollen, können Sie ein Schläfchen machen. Das Bombardement hat hier nicht viel zerstört. Es ist noch zu heiß, um rauszugehen.»
    «Es hat wohl keine Eile.»
    «Wie geht es Ihnen wirklich?»
    «Mir geht’s glänzend. Ich bin völlig in Ordnung.»
    «Nein, ich meine wirklich.»
    «Ich bin wieder in Ordnung. Ich kann noch nicht im Dunkeln schlafen. Das ist alles, was
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