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Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman

Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman

Titel: Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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La Panca hinab, stieg in seinen Wagen und fuhr mit einer ekelhaft schmeckenden Zigarette zwischen den Lippen auf dem unbefestigten Weg nach unten. Es war gerade einmal zehn Uhr.
    Erschöpft, aber gelassen kam Casini ins Präsidium. Kaum hatte er sein Büro betreten, nahm er seine Dienstwaffe aus der Schublade, die er so gut wie nie benutzt hatte. Er fand eine alte Tasche und legte seine persönlichen Sachen hinein, wollte nichts vergessen. Die Tasche stellte er auf einen Stuhl in seinem Büro und verließ den Raum. Auf dem Weg in den zweiten Stock begegnete er einem Kollegen und fragte ihn, ob Dottor Inzipone in seinem Büro sei.
    »Ja, er müsste dort sein. Ich habe ihn vor kurzem gesehen.«
    »Danke.«
    Casini stand vor der Tür des Polizeichefs. Er klopfte leise und ging hinein, ohne abzuwarten. Bevor Inzipone überhaupt etwas sagen konnte, ließ er seine Waffe und den Dienstausweis auf den Schreibtisch fallen. Inzipone starrte ihn an, als sei er verrückt geworden.
    »Was soll das heißen, Casini?«
    »Ich werde ab sofort Hühner züchten.«
    »Was zum Teufel ist in Sie gefahren?«
    »Die Polizei ist nichts mehr für mich.«
    »Sie können doch nicht einfach gehen, Casini.«
    »Leben Sie wohl, Dottore.« Der Kommissar ging zur Tür.
    »Verdammt, Sie haben doch noch eine Ermittlung laufen!«, brüllte der Polizeichef. Casini blieb in der Tür stehen und drehte sich um.
    »Die können Sie zu den Akten legen«, sagte er und ging, ohne auf Inzipones wütende Proteste zu achten.
    Casini holte die Tasche aus dem Büro und ging in den Hof. Dort warf er dem Fiat 1100, der ihm treue Dienste geleistet hatte, einen kurzen, dankbaren Blick zu. Als er zu Fuß das Präsidium verließ, winkte er wie üblich zu Mugnai hinüber. Er fragte sich, ob er ihn je wiedersehen würde. Vielleicht zufällig, im Kino oder in einer Pizzeria. Es kam ihm beinahe vor, als würde er sich davonstehlen, aber er hatte keine Lust, sich von seinen Kollegen zu verabschieden. Sie würden ihm doch nur einen Haufen Fragen stellen, auf die er nicht antworten wollte. Nur Diotivede und Piras würde er sagen, was wirklich los war, und sie würden einander bestimmt nicht aus den Augen verlieren.
    Gemächlich lief er in Richtung Stadtzentrum, die Tasche baumelte an seiner Seite. Zwanzig Jahre Polizeidienst waren darin. Jetzt würde er alle Zeit der Welt haben, um Herodots »Historien« zu lesen und alle Bücher, zu denen er bislang nie gekommen war.
    Als er am Baptisterium vorbeikam, schaute er hoch zur Kurie und stellte sich vor, hinter den Vorhängen stände Monsignore Sercambi, der seinen Triumph auskostete. Eine heiße Woge lief durch seine Brust – und kurz darauf wurde ihm eiskalt. Würde er diesen schändlichen Angriff verkraften können? Würde er vergessen können? Doch daran wollte er jetzt nicht denken.
    Er ging weiter in Richtung Arno, schaute abwesend auf die Militärfahrzeuge und die Abschleppwagen, die Autowracks hinter sich herzogen. Er wollte nicht mehr an den ermordeten Jungen denken, auch nicht an Eleonora, aber das fiel ihm schwer.
    Ohne es zu merken, fand er sich plötzlich in San Frediano wieder, wie ein Pferd, das stets in den heimatlichen Stall zurücktrottet. Er lief unter seinen Fenstern vorbei, überquerte die Piazza Tasso und erreichte seinen Käfer, den er in der Via Villari abgestellt hatte. Seit einem Tag nach der Überschwemmung hatte er ihn nicht mehr bewegt, aber der Motor startete sofort. Casini bog in den Alleenring ein, und das vertraute Geräusch des Volkswagens brummte beruhigend in seinen Ohren.
    Als er nach Santa Croce kam, parkte er vor Rosas Haus. Auf der Straße und den Bürgersteigen lag noch eine rutschige Schlammschicht.
    Er ging ins oberste Stockwerk und klopfte an die Tür. Drinnen lief Musik, aber es öffnete ihm niemand. Er klopfte lauter, und schließlich hörte er klappernde Absätze. Rosa öffnete die Tür und schrie vor Überraschung auf.
    »Das kann doch nicht sein, vor einer Minute habe ich an dich gedacht«, sagte sie und küsste ihn schmatzend auf den Mund.
    »Hast du Lust auf einen Ausflug, Rosa?«
    »Wenn du so guckst, nicht unbedingt«, sagte sie und zog ihn in die Wohnung.
    »Tut mir leid, ich habe schlechte Laune.«
    »Ist deine Hübsche daran schuld?«
    »Rosa, schließen wir einen Pakt. Heute keine Fragen.«
    »Na, das kann ja heiter werden …«
    »Das vergeht schon wieder. Komm, mach dich fertig.«
    »Gib mir eine Minute Zeit.« Rosa verschwand im Bad wie eine Schauspielerin in ihrer
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