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Die Schattenmatrix - 20

Die Schattenmatrix - 20

Titel: Die Schattenmatrix - 20
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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brechen.«
»Aber warum sollten sie das denn tun? Sie wollen dir doch nichts Böses, mein lieber Bruder.«
Darauf folgte ein langes Schweigen, und die neblige Gestalt über dem Medium wirbelte durch die Luft und veränderte elegant ihre Form. Die Wirkung war verblüffend. Dann stürzte sich der Geist ohne Vorwarnung auf Mikhail und Dyan, wobei er lange Dunstbahnen hinter sich herzog. Mikhail spürte, wie
ein Nebelschleier über seine Stirn strich, und schrak zurück. Sein Herz klopfte heftig. Neben ihm stieß Dyan einen Schreckensschrei aus und umklammerte Mikhails Hand so fest, dass er ihm fast die Finger brach.
Es dauerte nicht lange, und der Nebel verzog sich wieder, aber Mikhail musste feststellen, dass er nach Luft schnappte und trotz der Kälte schweißgebadet war. Unter dem Tisch schlotterten seine Knie. »Sie scheinen ganz in Ordnung zu sein«, gab der Geist widerwillig zu.
»Aber natürlich sind sie in Ordnung. Es sind sehr nette Jungs.« Trotz seines Entsetzens hätte Mikhail beinahe aufgelacht, weil Priscilla ihn einen netten Jungen nannte. Sie war vielleicht elf Jahre älter als er, aber sie benahm sich die meiste Zeit wie ein altes Weib. Er sog die Wangen ein, um das Lachen zu unterdrücken, das aus ihm herauszubrechen drohte. Er hatte immer schon dazu geneigt, aus Angst oder bei Gefahr zu lachen, und seine Mutter hatte einmal gesagt, er würde wahrscheinlich sogar lachend zum Galgen schreiten.
Langsam schwand seine Furcht und mit ihr der Drang zu lachen. Er schluckte trocken und sehnte sich nach einem Glas Wein. Wenn dieser Geist nichts weiter konnte, als ihn mit Nebel einzuhüllen, bestand wahrhaftig kein Grund zur Angst. Und es war ein Jammer, dass er sein Wort gegeben hatte, nichts zu erzählen - schade um die gute Geschichte.
Mikhail war so sehr in Gedanken versunken, dass er Deriks nächste Worte beinahe überhört hätte. »Der Wächter braucht dich. Es ist Zeit!«
»Endlich!« Priscilla sah begeistert aus. Ihr schmales Gesicht leuchtete vor Freude, und sie wirkte plötzlich wie ein junges Mädchen und nicht wie eine Mutter von fünf Kindern. Ihre Reaktion hatte jedoch auch etwas Unheilvolles, und Mikhail
senkte rasch den Blick. Wächter? Was bedeutete das? »Bald sind wir wieder vereint, Bruder«, flüsterte sie, gerade laut genug, dass Mikhail sie verstehen konnte.
Trotz seiner gewaltigen Neugier beschloss er, dass er nicht mehr erfahren wollte, als er bereits wusste. Wieder vereint? Wollte Priscilla etwa sterben? Es hatte sich nicht so angehört. Er zuckte die Achseln, um seine Anspannung zu lösen und seine Verlegenheit zu vertreiben. Er war da in etwas hineingestolpert, das ihn nichts anging, und je eher er wieder aus der Sache herauskam, desto besser. Die schimmernde Gestalt über dem Medium löste sich langsam auf, und die Kugel auf dem Tisch füllte sich wieder mit Nebel. Ysaba öffnete die Hände und ließ ihre Nachbarn los, dann sackte sie nach vorn auf die Tischplatte. Ihr Kopf schlug hörbar auf die polierte Oberfläche; Mikhail zuckte mitfühlend zusammen.
Duncan, der die ganze Zeit über im Halbschatten gestanden hatte, trat vor. Mit einem Glas Wein in der Hand richtete er die Frau auf und hielt ihr das Glas an die Lippen. Dann traf sein Blick den von Mikhail, und ein Ausdruck von Scham und Abscheu lag darin. Das Medium öffnete leicht den Mund und nahm ein wenig Wein zu sich. Das meiste lief ihr allerdings das Kinn hinab.
Mikhail sah aus den Augenwinkeln, wie sich Dyan die Hand, die Ysaba gehalten hatte, an der Hose abwischte. Sein jugendliches, vor Ekel verzerrtes Gesicht erzeugte in Mikhail Gewissensbisse. Er hätte seinen Freund nicht auf Burg Elhalyn mitnehmen sollen. Mik, ich fühle mich schmutzig! Ich möchte so etwas nie wieder durchmachen! Lass uns beim ersten Morgenlicht aufbrechen bitte! Es ist schrecklich hier!
Ich glaube, du hast Recht. Aber ich frage mich, wer oder was dieser Wächter ist.
Und wenn es Aldones persönlich ist - es ist mir egal. Ich will nur weg von hier!
Mikhail stimmte Dyans Empfindung schweigend zu.
Am folgenden Morgen ritten sie trotz des Regens zurück nach Thendara. Wie durch eine stillschweigende Vereinbarung sprachen sie weder auf dem Heimritt noch später je über das seltsame Ereignis. Aber von Zeit zu Zeit dachte Mikhail daran, und er fragte sich, ob sie tatsächlich den Geist von Derik Elhalyn gehört hatten und wer dieser Wächter sein könnte.
TEIL EINS
    Mikhail Lanart-Hastur ritt am Ufer des Valeron entlang und genoss den schönen
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