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Die kleine Hexe

Die kleine Hexe

Titel: Die kleine Hexe
Autoren: Otfried Preußler
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Hier hast du es! Aber ich kann mir nicht denken, wozu es dir nützen soll."
    „Dir und nicht mir soll es nützen!", sagte die kleine Hexe geheimnisvoll. „Geh jetzt nach Hause und wart in Ruhe ab, was geschehen wird. Deinem Mann soll die Freude am Kegeln gründlich vergehen! Noch ehe die Woche um ist, wird er kuriert sein!"
    Die Frau ging nach Hause und wusste sich keinen Reim darauf. Aber die kleine Hexe wusste dafür umso besser, was sie zu tun hatte. Sie verscharrte die
    Haare des Schindelmachers am nächsten Kreuzweg. Dazu sprach sie allerlei Zaubersprüche. Zuletzt kratzte sie mit dem Fingernagel genau an der Stelle, wo sie die Haare vergraben hatte, ein Hexenzeichen in den Sand. Dann sagte sie augenzwinkernd zum Raben Abraxas: „Erledigt! Nun kann sich der Schindelmacher auf etwas gefasst machen!"
    Der Schindelmacher ging auch an diesem Abend wieder zum Kegeln. Er trank mit den anderen Kegelbrüdern sein Bier und dann fragte er: „Wollen wir anfangen?"
    „Fangen wir an!", riefen alle.
    „Und wer soll den ersten Schub tun?"
    „Der danach fragt!", hieß es.
    „Gut", lachte der Schindelmacher und griff nach der Kegelkugel, „ dann will ich mal gleich alle neune schieben. Passt auf, wie sie purzeln werden!"
    Erst holte er mächtig aus und dann schob er.
    Die Kugel rollte mit Rumpeldipumpel über die Kegelbahn. Wie ein Kanonenschlag krachte sie unter die Kegel. Rumms!, flog dem Kegelkönig der Kopf ab! Die Kugel schoss weiter und schlug mit Getöse ein großes Loch in die Bretterwand.
    „Hoi, Schindelmacher!", riefen die Kegelbrüder. „Was machst du denn? Willst du die Kegelbahn einreißen? "
    „Sonderbar", brummte der Schindelmacher. „Es muss an der Kugel gelegen haben. Das nächste Mal nehme ich eine andere."
    Als er das nächste Mal an die Reihe kam, ging es ihm aber noch schlechter, obwohl er von allen Kugeln die kleinste genommen hatte. Zwei Kegel riss sie in Stücke, dass die Splitter dem Kegeljungen nur so um die Ohren schwirrten - und wiederum schlug sie ein Loch in die Wand.
    „Hör mal!", drohten die Kegelbrüder dem Schindelmacher. „Entweder schiebst du von jetzt an ein bisschen sanfter, oder wir lassen dich nicht mehr mitkegeln! "
    Der Schindelmacher versprach ihnen hoch und heilig: „Ich werde mir Mühe geben!"
    Beim dritten Mal schob er so sachte und vorsichtig, wie er sein Lebtag noch nicht geschoben hatte. Er stupste die Kugel nur mit zwei Fingern an - aber pardauz!, fuhr sie zwischen die Kegel und prallte mit solcher Gewalt an den Eckpfosten, dass sie ihn mittendurch schlug!
    Da knickte der Pfosten um und nun krachte die halbe Decke herunter. Es hagelte Bretter und Balkentrümmer; Latten, Leisten und Dachziegel prasselten nieder.
    Es ging zu wie bei einem Erdbeben.
    Schreckensbleich starrten die Kegelbrüder einander an. Als sie sich aber vom ersten Entsetzen erholt hatten, packten sie ihre Bierkrüge, warfen sie wutentbrannt nach dem Schindelmacher und riefen: „Hinaus mit dir! Mach, dass du fortkommst! Mit so einem, der uns die Kegelbahn kurz und klein kegelt, wollen wir nichts zu schaffen haben! Kegel von nun an, mit wem du willst - aber hier ist es aus damit!"
    Wie es dem Schindelmacher an diesem Abend ergangen war, so erging es ihm auch an den folgenden Abenden auf den anderen Kegelbahnen im Dorf und in den Nachbardörfern. Spätestens nach dem dritten Schub kam die Decke heruntergerumpelt. Dann flogen die Bierkrüge nach dem Schindelmacher und die Kegelbrüder wünschten ihn auf den Mond. Noch ehe die Woche um war, durfte er nirgends mehr mitkegeln. Wo er auch auftauchte, hieß es: „Um Gottes willen, der Schindelmacher! Schnell, schnell, lasst die Kegel verschwinden und packt die Kugeln weg! Dieser Mensch darf sie nicht in die Finger kriegen, sonst gibt es ein Unglück!"
    Zum Schluss blieb dem Schindelmacher nichts anderes übrig, als ein für alle Mal von der Kegelei abzulassen. Statt Abend für Abend ins Wirtshaus zu gehen, blieb er nun immer zu Hause, Das machte ihm anfangs zwar keinen Spaß; aber mit der Zeit ge-wohnte er sich daran, denn auch dafür hatte die kleine Hexe mit ihrem Zauberspruch vorgesorgt.
    Der Frau und den Kindern war nun geholfen. Von jetzt an brauchten sie nicht mehr zu hungern - und damit konnte die kleine Hexe zufrieden sein.

Festgehext!
    Der Rabe Abraxas war ein eingefleischter Junggeselle. Er pflegte zu sagen: „Als Junggeselle lebt man bei Weitem bequemer. Erstens braucht man kein Nest zu bauen. Zweitens braucht man sich nicht mit einer Frau
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