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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin.
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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schönen, alten Kastanienbäume, was ihrem Anritt etwas Anheimelndes und zugleich etwas beinah Feierliches gab.
    »Das ist ja wie ein Kirchenschiff«, sagte Rex, der am linken Flügel ritt. »Finden Sie nicht auch, Czako?«
    »Wenn Sie wollen, ja. Aber Pardon, Rex, ich finde die Wendung etwas trivial für einen Ministerialassessor.«
    »Nun gut, dann sagen Sie was Besseres.«
    »Ich werde mich hüten. Wer unter solchen Umständen was Besseres sagen will, sagt immer was Schlechteres.«
    Unter diesem sich noch eine Weile fortsetzenden Gespräche waren sie bis an einen Punkt gekommen, von dem aus man das am Ende der Avenue sich aufbauende Bild in aller Klarheit überblicken konnte. Dabei war das Bild nicht bloß klar, sondern auch so frappierend, daß Rex und Czako unwillkürlich anhielten.
    »Alle Wetter, Stechlin, das ist ja reizend«, wandte sich Czako zu dem am andern Flügel reitenden Woldemar. »Ich find’ es geradezu märchenhaft, Fata Morgana - das heißt, ich habe noch keine gesehn. Die gelbe Wand, die da noch das letzte Tageslicht auffängt, das ist wohl Ihr Zauberschloß? Und das Stückchen Grau da links, das taxier’ ich auf eine Kirchenecke. Bleibt nur noch der Staketzaun an der andern Seite; - da wohnt natürlich der Schulmeister. Ich verbürge mich, daß ich’s damit getroffen. Aber die zwei schwarzen Riesen, die da grad in der Mitte stehn und sich von der gelben Wand abheben (›abheben‹ ist übrigens auch trivial; entschuldigen Sie, Rex), die stehen ja da wie die Cherubim. Allerdings etwas zu schwarz. Was sind das für Leute?«
    »Das sind Findlinge.«
    »Findlinge?«
    »Ja, Findlinge«, wiederholte Woldemar. »Aber wenn Ihnen das Wort anstößig ist, so können Sie sie auch Monolithe nennen. Es ist merkwürdig, Czako, wie hochgradig verwöhnt im Ausdruck Sie sind, wenn Sie nicht gerade selber das Wort haben… Aber nun, meine Herren, müssen wir uns wieder in Trab setzen. Ich bin überzeugt, mein Papa steht schon ungeduldig auf seiner Rampe, und wenn er uns so im Schritt ankommen sieht, denkt er, wir bringen eine Trauernachricht oder einen Verwundeten.«
    Wenige Minuten später, und alle drei trabten denn auch wirklich, von Fritz gefolgt, über die Bohlenbrücke fort, erst in den Vorhof hinein und dann an der blanken Glaskugel vorüber. Der Alte stand bereits auf der Rampe, Engelke hinter ihm und hinter diesem Martin, der alte Kutscher. Im Nu waren alle drei Reiter aus dem Sattel, und Martin und Fritz nahmen die Pferde. So trat man in den Flur. »Erlaube, lieber Papa, dir zwei liebe Freunde von mir vorzustellen. Assessor von Rex, Hauptmann von Czako.«
    Der alte Stechlin schüttelte jedem die Hand und sprach ihnen aus, wie glücklich er über ihren Besuch sei. »Seien Sie mir herzlich willkommen, meine Herren. Sie haben keine Ahnung, welche Freude Sie mir machen, einem vergrätzten alten Einsiedler. Man sieht nichts mehr, hört nichts mehr. Ich hoffe auf einen ganzen Sack voll Neuigkeiten.«
    »Ach, Herr Major«, sagte Czako, »wir sind ja schon vierundzwanzig Stunden fort. Und, ganz abgesehen davon, wer kann heutzutage noch mit den Zeitungen konkurrieren! Ein Glück, daß manche prinzipiell einen Posttag zu spät kommen. Ich meine mit den neuesten Nachrichten. Vielleicht auch sonst noch.«
    »Sehr wahr«, lachte Dubslav. »Der Konservatismus soll übrigens, seinem Wesen nach, eine Bremse sein; damit muß man vieles entschuldigen. Aber da kommen Ihre Mantelsäcke, meine Herren. Engelke, führe die Herren auf ihr Zimmer. Wir haben jetzt sechseinviertel. Um sieben, wenn ich bitten darf.«
    Engelke hatte mittlerweile die beiden von Dubslav etwas altmodisch als »Mantelsäcke« bezeichneten Plaidrollen in die Hand genommen und ging damit, den beiden Herren voran, auf die doppelarmige Treppe zu, die gerade da, wo die beiden Arme derselben sich kreuzten, einen ziemlich geräumigen Podest mit Säulchengalerie bildete. Zwischen den Säulchen aber, und zwar mit Blick auf den Flur, war eine Rokokouhr angebracht, mit einem Zeitgott darüber, der eine Hippe führte. Czako wies darauf hin und sagte leise zu Rex: »Ein bißchen graulich«, - ein Gefühl, drin er sich bestärkt sah, als man bis auf den mit ungeheurer Raumverschwendung angelegten Oberflur gekommen war. Über einer nach hinten zu gelegenen Saaltür hing eine Holztafel mit der Inschrift: »Museum«, während hüben und drüben, an den Flurwänden links und rechts, mächtige Birkenmaser- und Ebenholzschränke standen, wahre Prachtstücke, mit zwei
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