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Der schwarze Kanal

Der schwarze Kanal

Titel: Der schwarze Kanal
Autoren: Jan Fleischhauer
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sollte erwarten, dass es irgendwann langweilig wird, immer den gleichen Sack zu prügeln. Beim Außenminister kennt der Spaß daran offenbar keine Grenzen.
    Nicht einmal sein Bekenntnis zur Homosexualität hat ihm geholfen, dabei ist die Zugehörigkeit zu einer allgemein anerkannten Opfergruppe zumindest im linken Lager normalerweise ein verlässlicher Schutz gegen hässliche Bemerkungen, tragen sie einem doch sofort den Vorwurf ein, ein Rassist, Sexist oder Schlimmeres zu sein. Bei Westerwelle sind alle Schmähungsbarrieren außer Kraft gesetzt, was einen zu der Vermutung bringen kann, dass sich in Bezug auf seine Person Vorbehalte artikulieren, die man sonst in den progressiven Kreisen nicht zu äußern wagt. Zu den beliebtesten Verballhornungen seines Namens gehört, wie sollte es anders sein, das Wort «Schwesterwelle». Was bei jedem anderen sofort einen Strafbesuch in einem Gender-Seminar nach sich zöge, erzeugt in seinem Fall nur beifälliges Gelächter.
    Westerwelle wird der Rollenerwartung nicht gerecht, die gerade in linken Vierteln an Homosexuelle gerichtet wird, das ist möglicherweise der tiefere Grund für die nahezu pathologische Abneigung, die ihm von dort entgegenschlägt. Schlimm genug, wenn ein Politiker gegen die Ausweitung von Hartz IV ist und den Sozialstaat insgesamt für zu groß und mächtig hält – aber ein Schwuler? Von den Angehörigen ehemals verfolgter Minderheiten wird eine besondere Sensibilität erwartet, wenn es um die sozialen Belange anderer Minderheiten geht, die noch um Anerkennung als Verfolgte ringen. Wer selber einmal ausgegrenzt war oder jedenfalls herkunftsmäßig dieses Schicksal teilt, wird automatisch zu den Anwälten der gemeinsamen Sache gezählt. Westerwelle ist so gesehen ein Verräter, er verweigert sich der geforderten Identitätspolitik. Das ist der Skandal, der ihm nun bodenlose Verachtung einträgt.

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George Bushs linke Erben
    Also: Der Westen ist schuld. Gut, dass dies schon mal geklärt wäre. Wo immer sich der Volkszorn entlädt, wie zuletzt in der arabischen Welt, darf der Verweis auf Amerika, den großen Satan, nicht fehlen. Die USA stehen eigentlich stets am Pranger, wenn es sich zu empören gilt, da kann man nie falschliegen. Israel natürlich auch, allerdings erst im zweiten Satz. So viel Rücksicht auf die Geschichte nimmt man im aufgeklärten Lager dann doch.
    Diesmal lautete der Vorwurf, die Amerikaner hätten das korrupte Regime in Ägypten gestützt und damit ihre Werte verraten. Davon abgesehen, dass die Deutschen nie in die Verlegenheit kommen, ihre Werte aufzugeben, weil sie außenpolitisch keine nennenswerte Rolle spielen, muss man leider sagen: So ist das mit der Realpolitik. Wer die Interessen der freien Welt vertritt, darf bei der Wahl seiner Verbündeten nicht allzu wählerisch sein, sonst steht er schnell ziemlich allein da.
    Die offene Gesellschaft hat außerhalb von Europa weniger Freunde, als wir gerne annehmen wollen. Selbstverständlich wäre es wünschenswert, man würde nur mit Regierungen zusammenarbeiten, die unsere Vorstellungen von einem demokratischen Gemeinwesen teilen. Dann bliebe allerdings in der Region, auf die wir seit letztem Jahr so gebannt schauen, nur Israel übrig, das einzige Land im Nahen Osten, das seinen Bürgern alle westlichen Freiheitsrechte garantiert, inklusive Frauen, Homosexuellen und Andersdenkenden. Aber das wäre ja irgendwie auch nicht recht. Tatsächlich liegen die Sympathien gerade vieler aufrechter, linksdenkender Menschen nicht bei den Israelis, die selbst den arabischen Einwohnern in ihrer Mitte mehr Freiheiten gewähren als alle Nachbarstaaten zusammen, sondern erstaunlich oft bei den frauenverschleiernden, schwulenhassenden, minderheitenverachtenden Moslembrüdern im Umland. Rätsel Aufklärung.
    Mit Sicherheit wäre man eher geneigt, den öffentlichen Anklagen Glauben zu schenken, wenn sich die Empörung über den Diktator Husni Mubarak und seine Satrapenregierung schon früher Bahn gebrochen hätte. Im Archiv von ARD und ZDF findet sich nur leider kein einziger kritischer Beitrag über die finsteren Seiten des ägyptischen Regimes, das dann in sich zusammenbrach. Und was heißt überhaupt Diktator? Hieß der Mann vor nicht allzu langer Zeit noch, von «taz» bis «Süddeutsche», respektvoll «Präsident Mubarak»? Na gut, auch im Journalismus setzt die Erkenntnis manchmal verspätet ein, dafür dann umso heftiger.
    Nun wird also eine wertegeleitete Außenpolitik
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