Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Riss im Raum

Der Riss im Raum

Titel: Der Riss im Raum
Autoren: Madeleine L'Engle
Vom Netzwerk:
vergessen, Meg.«
    »Aber wo ist er denn?«
    »Meg, er hat sich selbst geext … «
    »Trotzdem will ich wissen, wo er ist.«
    (Wo ist ohne Bedeutung.)
    Calvin nahm Meg an der Hand. »Progo würde jetzt sagen: »Ich bin benannt, und damit ist es gut.« Die Echthroi haben ihn nicht bekommen, Meg. Er hat sich aus freien Stücken geext.«
    »Aber, Calvin … «
    »Proginoskes ist ein Cherubim, Meg. Er hatte die Wahl.«
    Megs Augen standen voll Tränen. »Warum müssen wir Menschen Gefühle haben? Sie tun weh.«
    Charles Wallace umarmte sie zärtlich. »Und wer hat behauptet, ich hätte meine Drachen bloß erfunden, hm?«
    Ganz so, wie er gehofft hatte, mußte sie daraufhin lächeln.
    Gleich nach dem Essen schickte Dr. Louise Charles Wallace ins Bett zurück. Meg gab ihm einen Gutenachtkuß. Sie ahnte, daß er spürte, wie verlassen sie sich ohne Proginoskes fühlte.
    »Warum gehst du nicht mit Calvin auf die obere Wiese und siehst bei den Felsen nach?« flüsterte er ihr ins Ohr, als er ihren Kuß erwiderte.
    Sie nickte und blinzelte Calvin zu. Schweigend stahlen sie sich aus der Küche und holten im Flur zwei Jacken vom Haken.
    Als sie das Haus verlassen hatten, meinte Calvin: »Es kommt mir geradezu läppisch vor, daß wir miteinander reden, statt zu kythen. Wir müssen uns erst wieder daran gewöhnen.«
    Sie hielt sich dicht an seiner Seite. Im Garten duftete es nach frisch umgegrabener Erde. »Es gibt vieles, über das wir in Gegenwart Dritter nur noch kythen können.«
    Calvin faßte nach ihrer Hand. »Ich habe das Gefühl, man erwartet von uns, daß wir nicht einmal das versuchen sollten.«
    »Blajeny«, sagte Meg plötzlich. »Wo mag er jetzt sein?«
    »Ich weiß es nicht. Er unterrichtet wahrscheinlich anderswo weiter, dort, wo man ihn hingeschickt hat.«
    Vor der Steinmauer machten sie halt.
    »Die Nacht ist kalt, Meg. Ich glaube nicht, daß Louise sich zeigen wird.« Er kletterte über die Mauer und ging auf der anderen Seite rasch auf die beiden Urgesteinfelsen zu, die als schwarze Schatten vor dem dunklen Himmel standen. Ringsum war das Gras brüchig im Frost.
    Nichts war zu sehen.
    »Gehen wir zur Steinplatte!« schlug Meg vor.
    Ihr Ausguck zu den Sternen lag einsam und verlassen.
    Meg konnte nicht verhindern, daß ihr die Tränen über die Wangen liefen. Sie wischte sie mit dem Handrücken fort.
    Calvin legte ihr den Arm um die Schultern. »Ich kann dich gut verstehen, Meg. Auch ich wüßte gern, was aus Progo geworden ist. Und ich habe das unbestimmte Gefühl, daß es – daß es ihm irgendwie gut geht.«
    »Das glaube ich ebenfalls. Nein, ich spüre es sogar. Und trotzdem hätte ich gern eine letzte Gewißheit.« Ihr fröstelte.
    »Wir müssen wieder ins Haus. Ich habe versprochen, daß wir nicht lang ausbleiben.«
    Es fiel ihr schwer, sich loszureißen, aber Calvin ging schon voran, und so folgte sie ihm.
    An der Steinmauer blieb sie erneut stehen. »Warte einen Augenblick.«
    »Meg, Louise wird bestimmt nicht … « wollte Calvin widersprechen, da glitt bereits ein schwarzer Schatten aus den Ritzen, richtete sich langsam und graziös auf und nickte ihnen einen Gruß zu.
    »Louise!« rief Meg. »Louise … «
    Aber da war sie schon wieder auf die Mauerbrüstung zurückgesunken und fortgeschlängelt. Dennoch fühlte sich Meg gestärkt und getröstet.
    Schweigend gingen sie zum Haus zurück und hängten die Jakken an den Haken. Die Türen zum Labor und zur Küche waren geschlossen.
    Plötzlich riß ein Windstoß die Küchentür auf.
    Sandy und Dennys saßen am großen Tisch und machten ihre Schularbeiten.
    »He!« tadelte Sandy. »Nicht gleich so stürmisch!«
    »Man kann eine Tür auch sanft öffnen«, ergänzte Dennys sarkastisch. »Man muß sie dabei nicht gleich aus den Angeln reißen.«
    »Wir haben sie gar nicht angerührt«, erwiderte Meg. »Sie ging ganz von selbst auf.«
    Sandy klappte zornig sein Lateinbuch zu. »Unsinn. Es ist fast windstill, und wenn überhaupt, weht es aus der anderen Richtung.«
    Dennys blickte von seinem Mathematikheft auf. »Charles Wallace bittet dich, noch einmal zu ihm zu kommen, Meg. Aber vielleicht machst du vorher noch die Tür zu. Es wird nämlich kalt.«
    »Ihr seid ziemlich lange ausgeblieben«, stellte Sandy trocken fest. »Was habt ihr denn die ganze Zeit da draußen gemacht – Sternchen gezählt?«
    »Man muß sie nicht zählen«, sagte Meg. »Es genügt, sie beim Namen zu kennen.«
    Calvin erwiderte ihren Blick, lange, hielt ihm stand. Sie sprachen nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher