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Der Lambertimord

Der Lambertimord

Titel: Der Lambertimord
Autoren: Arnold Kuesters
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Refrain der alten Schnulze nicht aus dem Kopf wollte. Wie lange war das her? Zwanzig Jahre, dreißig? Er sah Vicky Leandros vor sich, als wäre die Hitparade erst letzten Samstag gelaufen. Anmoderiert von Schnellsprecher Dieter Thomas Heck. Unsere Startnummer zwei: Lange dunkle Mähne, karierter Glockenrock und weiße hohe Stiefel.
    Zu Hause besah sich Frank im Spiegel. Wieso sollte er zum Frisör? Er fand nicht, daß seine Haare zu lang waren. Was Schrievers nur immer hatte.

IV.
    Der Novemberwind hing träge zwischen den geduckten Häusern. Das helle Gelb der Straßenlampe tauchte die enge Kreuzung in milchiges Licht. Der Marktplatz war leer. Die Dorfstraßen verloren sich hinter dem matten Lichtkranz schnell in der Dunkelheit. Es war kalt. Naßkalt. Und still.
    Mit leisem Motor und ohne Licht rollte der kleine Pritschenwagen auf den Platz. Ohne ein Geräusch zu machen, sprang der Fahrer aus dem Führerhaus und klappte eine Seite der niedrigen Bordwand herunter. Umständlich zog er sich auf die Ladefläche und stand schließlich, mit unterdrücktem Atmen, über dem dunklen Etwas. Mit den Füßen rollte er die sperrige Last an den Rand der Pritsche. Der im dunklen Overall kräftig und kompakt wirkende Mann hielt inne und sah sich um. Hinter den dunklen Fenstern der umliegenden Häuser war nichts zu erkennen. Nur in der Bäckerei an der Ecke schien in der Tiefe des Ladens ein fahles Licht.
    Zu hören war nur der Motor des kleinen Transporters, der im Leerlauf leise tuckerte. Er konnte den verbrannten Diesel riechen. Schließlich straffte sich die Gestalt und holte mit dem rechten Fuß zu einem kräftigen Schubs aus. Dumpf schlug der Körper auf das rote Pflaster. Es klang wie ein mattes Seufzen, als dabei die letzte Luft aus dem leblosen Brustkorb entwich. Hastig sprang der Mann im olivfarbenen Overall hinterher und klappte die Bordwand geräuschlos hoch. Ohne sich noch einmal umzudrehen, setzte er sich ans Steuer und rollte mit seinem Wagen langsam vom Platz Richtung Friedhof. Erst in Höhe der Gärtnerei schaltete er das Licht ein und gab Gas.

V.
    Eigentlich würde er lieber im Auto sitzen bleiben und den Airline Blues von Larry Garner entspannt zu Ende hören, dachte Frank. Aber Ecki hatte sowieso schon während der ganzen Fahrt ein Gesicht gemacht, als habe er schlimmste Zahnschmerzen. Und außerdem waren sie in diesem Moment am Rand des Marktplatzes in Breyell angekommen.
    Sein Kollege Ecki, eigentlich Michael Eckers, war bekennender und glühender Anhänger des deutschen Schlagers. WDR 4 war sein Lieblingssender. Für Frank dagegen war Volksmusik ein Grauen. Es gab kaum etwas, das ihn mehr entsetzte als all die fröhlichen Menschen, die in ihren Dirndln und ledernen Trachtenhosen in der klinisch sauberen Welt des Musikantenstadls bei »Bier und Brez’n« unbeschwert und willig zum Takt der Blasmusik klatschten.
    Frank und Ecki waren zeitgleich zur Kriminalpolizei gewechselt. Sie kannten sich noch von den gemeinsamen Schichten im Wach- und Wechseldienst. Zunächst durch die Dienstpläne zwangsläufig aneinander gebunden, war über die Jahre eine Freundschaft gewachsen, die mehr war als die gelegentlichen Verabredungen auf ein Bier mit einem Arbeitskollegen. Nur, mit der Musik, das hatten die beiden in der ganzen Zeit dann doch nicht auf die Reihe bekommen. Dazu gingen ihre Meinungen über gute Musik zu weit auseinander. Aber sie hatten sich wenigstens auf einen Kompromiß einigen können, der erstaunlicherweise dauerhaft hielt.
    Wenn sie bei einer ihrer Schichten, oder später dann bei den Observationen über Stunden auf engstem Raum in einem Auto zusammengepfercht saßen, hatte jeder im Wechsel die Musik des anderen mitanzuhören. Kopfhörer waren leider tabu, denn sonst würden sie den Funkverkehr der Kollegen nicht mitbekommen. Es war für beide Seiten weiß Gott nicht einfach, aber gegen das ungeschriebene Gesetz der musikalischen Toleranz wurde nur ganz selten von beiden Seiten mit Unmutsäußerungen verstoßen. Und auch nur dann, wenn selbst für sie als langgediente Profis die Enge im Auto nicht länger zu ertragen war. Ansonsten galt vor allem während der Arbeitzeit das Motto: »Jeder Jeck ist anders.«
    B.B. King kontra Wolfgang Petri. Bei dem Gedanken an den Schnulzenrocker mußte Frank sich jedes Mal aufs Neue schütteln. Freundschaftsbändchen und Karohemd, unglaublich.
    Ecki hatte so lange schweigend neben ihm gesessen, bis Frank die Stoptaste des CD-Wechslers gedrückt hatte. Nun witterte sein
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