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Der Killer wartet

Der Killer wartet

Titel: Der Killer wartet
Autoren: Alfred Bekker
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deutschstämmiger Aussiedler war er im Alter von zwölf Jahren nach Deutschland gekommen. Jetzt war er 19.
    Noch zwei Jahre, dachte Moeller, als er Sarows Gesicht auf dem Computerschirm auftauchen sah. Noch zwei Jahre, dann war es endgültig vorbei für ihn mit der milden Behandlung nach dem Jugendstrafrecht.
    "Sie halten doch Ihr Wort, woll?" sagte der Obdachlose in Moellers Gedanken hinein.
    "Häh?" gähnte Moeller.
    "Na, von wegen Frühstück und so!"
    Inzwischen hatte es draußen zu regnen begonnen. Die Tropfen klatschten gegen die Fensterscheiben des Büros. Klar, daß er nicht raus will! dachte Moeller. Nicht bei dem Mistwetter.
    "Sie haben sich Ihre Gratisnacht in unserem Hotel redlich verdient!" meinte Moeller dann.
    Simitsch verzog nur das Gesicht.
    "Weißt du eigentlich, daß du da gerade kostbare Steuermittel verschleuderst, Moeller?" knurrte er zwischen den Zähnen hindurch und schob sich seine Krawattennadel zurecht. Irgendwie hatte das Ding die Eigenschaft, dauernd schief zu sitzen.
    Der Obdachlose verbrachte die Nacht also in einer Ausnüchterungszelle des Präsidiums.
    Als Moeller am nächsten Morgen wieder zu seiner Dienststelle fuhr, besorgte er unterwegs Brötchen.
    Lüdenscheid wird oft auch Regenscheid genannt, weil es hier angeblich öfter regnet als anderswo. Aber heute machte die Stadt ihrem schlechten Ruf keinerlei Ehre. Die Sonne schien. Moeller lenkte seinen rostigen Omega quer durch die Stadt. Es ging immer wieder auf und ab, den Hügel hinauf und wieder hinunter. Bei gutem Wetter stellte Moeller sich manchmal vor, er befände sich in den Straßen von San Franzisco. Nur, daß die Straßen von Lüdenscheid ein bißchen schmaler waren und statt der Golden Gate Bridge gab es nur die Talbrücken mit der A45, der berüchtigten Todesbahn, die dieser Gegend auch internationales Renomee brachte. In den USA wurden Videobänder unter dem Titel ACCIDENTS ON
    GERMAN
    AUTOBAHN vertrieben. Und die A45 war natürlich immer dabei.
    Vor unvorstellbar langer Zeit soll ein längst vergessener Herrscher den Auftrag zum Bau einer Siedlung in dieser Gegend gegeben haben. Und die ersten Siedler wanderten nun von Anhöhe zu Anhöhe, konnten sich aber nicht entscheiden, auf welcher die Siedlung errichtet werden sollte. "Lüd, entscheid! - Leute, entscheidet euch!" hätten daraufhin die Gesandten der Herrschaft gerufen, woraus schließlich die Ortsbezeichnung 'Lüdenscheid' entstand. Daß man dieser Aufforderung bis heute nicht nachgekommen war, konnte jeder sehen, der auf der A45 an der Stadt vorbeifuhr. Alle Anhöhen waren besiedelt.
    Als Moeller im Präsidium ankam, war Klaus Simitsch natürlich schon längst da.
    "Es gibt Frühstück", sagte Moeller, als er eintrat. "Am besten du holst unseren Gast mal aus seiner Suite, Klaus!"
    "Bin ich der Butler?"
    "Trage ich einen Anzug?"
    "Moeller, ich hoffe, du wirst irgendwann mal versetzt und ich bekomme einen richtigen Kollegen auf das Büro - keinen Herbergsvater für obdachlose Zeugen!"
    *
    Eine Stunde später fuhren Moeller und Simitsch zum Hebberg.
    Dort befand sich die Adresse von Ferdinand Sarows Eltern.
    Sarow war dort nach wie vor gemeldet.
    Simitsch weigerte sich regelmäßig, in Moellers rostigen Omega zu steigen. Darum fuhren sie mit dem gut gepflegten Volvo, den Simitsch sein Eigen nannte.
    Simitsch fuhr betont vorschriftsmäßig, deshalb dauerte die Fahrt vom Präsidium zum Hebberg etwas länger, als Moeller es für notwendig hielt.
    Aber heute war Moeller zu müde, um darüber zu meckern.
    Er registrierte beiläufig das Hauptpostamt und das Rathaus auf der Linken. Dort begann die Fußgängerzone und der Verkehr kroch, weil viel zu viele insgeheim hofften, doch noch irgendwo einen der wenigen Parkplätze am Straßenrand zu finden und nicht eines der Parkgelegenheiten um den Sternplatz herum aufsuchen zu müssen. In einem scharfen Knick führte die Straße vor der Fußgängerzone wieder Richtung Norden und wechselte zweimal den Namen. Erst hieß sie Humboldt-, dann Gas- und dann Werdohler Straße. Noch viel später würde sie sich dann Werdohler Landstraße nennen.
    Moeller gähnte, als sie links am Arbeitsamt vorbeikamen und zum zweitenmal beim Forstamt. Dazwischen ging eine Straße ab, die passenderweise Dukatenweg hieß, weil hier das Finanzamt angesiedelt war. Moeller erinnerte sich mit Grausen daran, daß er im letzten Jahr des öfteren dort vorstellig geworden war, weil die Finanzdirektion es einfach nicht anerkennen wollte, daß die Kosten für ein
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