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Der Clan der Wölfe 1: Donnerherz (German Edition)

Der Clan der Wölfe 1: Donnerherz (German Edition)

Titel: Der Clan der Wölfe 1: Donnerherz (German Edition)
Autoren: Kathryn Lasky
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ein Rudel mit einem Knochennager gesichtet. Zumindest glaubte er, dass es einer war. Er wollte dieses Rudel unbedingt genauer beobachten und sich davon überzeugen, ob Gwynneth die Wahrheit gesagt hatte. Knochennager haben ein schweres Leben im Rudel und müssen sich zuerst beweisen , hatte sie behauptet.
    Das Rudel hatte gerade einen Elch zur Strecke gebracht. Gebannt beobachtete Faolan, wie sich eine Wölfin und ein Rüde langsam, ja beinahe ehrfürchtig dem Kadaver näherten. Sie gingen in die Knie und rissen den Bauch und die Flanken auf, die zartesten Teile des Tiers. Als sie ein wenig gefressen hatten, hob der Rüde den Kopf und nickte vier anderen Mitgliedern des Rudels zu, die sich jetzt der Beute näherten. Der Knochennager, ein kleines gelbliches Tier, blieb zurück. Und nicht nur das – einer der anderen Wölfe gab ihm einen groben Kopfstoß und biss ihn ins Nackenfell, sodass der Knochennager jaulend nach hinten purzelte. Die Wölfin, die als Erste gefressen hatte, raste wie der Blitz zu ihm hinüber, zog ihre Lefzen zurück und knurrte drohend. Der gelbliche Wolf duckte sich auf den Boden und verdrehte die Augen, bis das Weiße darin aufschimmerte wie zwei zarte, duftige Mondschleier bei Tageslicht. Das arme Tier jaulte und winselte zum Erbarmen.
    Die anderen Wölfe schlugen sich die Bäuche voll. Ganz allmählich wagte sich der Knochennager ein wenig näher heran, kroch buchstäblich auf dem Bauch vorwärts. Sobald er zu nahe kam, sprang einer der anderen Wölfe von seiner Mahlzeit auf und stürzte sich knurrend auf den Außenseiter.
    Wird er je zu fressen kriegen? , dachte Faolan entrüstet. Wie lange muss er denn noch warten?
    Doch obwohl der Knochennager unbarmherzig gequält wurde, erschienen Faolan diese Wölfe nicht so grausam und tückisch wie die in den Frostlanden. Irgendwie spürte er, dass ihr Verhalten einem höheren Zweck diente. Aber merkwürdig blieb es trotzdem. Als sich das ganze Rudel endlich satt gefressen hatte, wurde ein lautloses Zeichen gegeben und der Knochennager näherte sich erneut. Von dem Elchkadaver war kaum noch ein Fetzchen übrig. Der kleine Wolf zerrte an einer blutigen Sehne herum, da trottete die Wölfin, die als Erste gefressen hatte, zu ihm hinüber. Mit einem sanften Kopfstoß lenkte sie seine Aufmerksamkeit auf sich. Dann würgte sie einen dampfenden Haufen Elchfleisch hervor. Der Knochennager kroch vor Dankbarkeit vor ihr am Boden. Er jaulte und winselte unterwürfig. Faolans Nackenfell sträubte sich bei diesem Anblick – Kriechen war in seinen Augen das Schlimmste.
    Nicht jedes Rudel hatte einen Knochennager. Zum Glück , dachte Faolan, nachdem er gesehen hatte, wie der gelbe Wolf gedemütigt wurde. In den nächsten Tagen beobachtete er ähnliche Szenen. Es fiel ihm schwer, die Behandlung der Knochennager mit der hohen Stellung in Einklang zu bringen, die sie laut Gwynneth erreichen konnten, wenn sie in die Vulkangarde aufstiegen. Soweit er sehen konnte, wurden sie von allen anderen Wölfen im Rudel nur verachtet und gequält.
    Immer wieder stellte er sich die Frage: Was für ein Leben erwartet mich? Bleibt mir denn keine andere Wahl, als allein umherzuziehen oder gequält und gedemütigt zu werden? Faolan wollte nicht zu einem Rudel gehören, in dem er der Sündenbock für alle war. Andererseits hatte er die Wölfe beim Jagen beobachtet. Was er da gesehen hatte, war unvergleichlich. Die Einmütigkeit, mit der die Wölfe im Rudel zusammenarbeiteten, die Schönheit, die darin lag und für die es nur ein Wort gab: Hwlyn . Der unnennbare Geist des Rudels war schließlich auch das Lockmittel, das ihn vom Bergkamm heruntertrieb. Trotzdem zögerte er noch. Jedes Mal hielt ihn im letzten Moment etwas davon ab, den Steilhang hinunterzuspringen und sich einem vorbeiziehenden Rudel zu zeigen.
    Faolan hatte reichlich Gelegenheit, die verschiedenen Rudel zu beobachten, aus denen die großen Clans bestanden. Ihm erschien ein Rudel mehr oder weniger wie das andere. Er konnte nicht sagen, welches ihm am liebsten war. Nur einen Clan wollte er lieber meiden, weil ihn diese Wölfe an die heruntergekommenen Kreaturen in den Frostlanden erinnerten. Ihre Rudelführer quälten nicht nur die Knochennager, sondern bekriegten sich auch untereinander. Außerdem waren die MacHeath – so nannte sich dieser Clan – besonders grausam zu den Weibchen. Damit wollte Faolan nichts zu tun haben.
    Ein anderer Clan war ihm aufgefallen, weil er fast nur aus Weibchen bestand und von einer
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