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Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Titel: Das Wunder von Grauenfels (German Edition)
Autoren: Viktoria Benjamin
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ihrer Beweglichkeit und ihrer Bewegungsabläufe. Sophie hatte bei allem hervorragend abgeschnitten. Die Prüfer bescheinigten ihr alle Anlagen für den idealen Ballettkörper, hohe musikalische Begabung und außerordentliche Anmut der Bewegungen. In der Tanzprüfung selbst landete sie im Mittelbereich – die Tanzschule Tatenbeck kam an die Großstadt-Ballettstudios natürlich nicht heran. Die Prüfer bemerkten allerdings ihre Aufmerksamkeit und ihre schnellen Reaktionen auf Korrekturen. Schließlich gehörte sie zu den ersten zehn Mädchen, die zur Aufnahme aufgerufen wurden. Trotz noch mangelhafter Französischkenntnisse.
    »Du wirst sehr viel arbeiten müssen«, hatte ihr die Schulleiterin erklärt.
    Sophie schaute sie anbetend an. »Oui, Madame«, sagte sie strahlend.
    Claudia hatte sich vor ihrer Prüfung in New York routinierter gegeben. Nur daran, dass ihre Fingernägel bis aufs Blut abgeknabbert waren, hatte man ihre Nervosität erkannt. Aber selbst das Nägelbeißen machte Claudia mit sich allein aus.Gina beobachtete sie nie dabei, anscheinend ließ sie ihren Ängsten lediglich bei Nacht freien Lauf. Tagsüber zeigte sie wirbelnden Optimismus und machte zuerst bei ihrer Gastfamilie, dann in der Schule einen guten Eindruck. Ginas Freundin Melanie war ganz entzückt von ihrem kommenden Hausgast.
    »Gesund ist das aber sicher nicht«, berichtete Gina Berit am Telefon. »Vielleicht braucht sie eher einen Psychologen als eine Schauspielschule.«
    »Welcher Star braucht den nicht?«, fragte Berit gelassen. »Wenn sie die ersten Filme gemacht hat, kann sie sich ja einen leisten. Außerdem ist Melanies Mann doch Psychoanalytiker. Der kann dann gleich an ihr üben.«
    Bei der Prüfung selbst beeindruckte Claudia durch ihren Ernst und ihren Ausdruck. Sie bestand auf einen Shakespeare-Monolog, sprach aber auf Berits und Ginas Rat nicht die Lady Macbeth vor, sondern die Julia. Die Fremdsprache und insbesondere der Schwierigkeitsgrad des Shakespeare’schen Englisch machten den Auftritt natürlich holperig, aber Claudias sparsame Gestik rührte die Prüfer derart, dass sie über Patzer hinwegsahen. Insgesamt bestand das Mädchen mit Bravour und war triumphierend nach Grauenfels zurückgekehrt.
    Gina und Berit beobachteten erleichtert, dass ihre Fingernägel seitdem wieder wuchsen.
    »Nun also Endspurt«, kommentierte das Mädchen, als sie die Abschiedsrede der Dame gelesen hatte. »Das letzte Treffen mit MM. Also irgendwie werd ich sie vermissen.«
    *
    Die Prozession am letzten Erscheinungstag war so lang, dass die letzten Pilger erst unten am Prozessionsweg aufbrachen, als sich die ersten schon um den Erscheinungsplatz formierten. Dabei war das Wetter alles andere als einladend. Allerdings hatte es in den letzten Tagen ein paar spektakuläreHeilungen gegeben – zumindest nach Ansicht der Bild -Zeitung –, und das verstärkte den Pilgerstrom immer mehr. Zu Berits und Ginas Erstaunen waren diesmal aber auch viele Einheimische anwesend – fast als ahnten die Leute, dass dies ihre letzte Gelegenheit sein würde, dem »Wunder von Grauenfels« beizuwohnen. Frau Clarsen und Terry waren da und hielten sich an den Händen. Mandy erschien in Begleitung zweier ähnlich schrill gestylter Freundinnen. Etwas verlegen drückten sich Kalle und zwei andere Jungen in den Schatten der Bäume.
    »Ihr müsst das wirklich glauben«, gab der frisch gebackene Wunderexperte Anweisung. »Und sie braucht so was wie ein Opfer. Also ich hab ihr versprochen, dass ich beim … ihr wisst schon, nie mehr an Claudia Martens denken werde …«
    Die beiden Jungen gingen erkennbar in sich.
    »So was wie ›Drei Monate nicht mehr auf Porno Seiten‹?«, fragte der Blonde von neulich.
    Kalle zuckte die Achseln. »Das reicht vielleicht für Kunsttischler. Aber Pilot? Ich weiß nicht, ich würde ihr sechs versprechen …«
    Gina lachte ausgelassen, als Merl, der das Gespräch mitgehört hatte, davon erzählte.
    »Und ihr wollt wirklich keine special effects? «, fragte der Magier bedauernd. »Ich hab mich gerade noch mal umgesehen, also so was wie ein ›überirdisches Licht‹, das könnte ich kurzfristig noch arrangieren.«
    »Kein Licht, kein Garnichts, vor allem keine Risiken. Sie sagt goodbye, und das war’s!«, erklärte Gina fest. »Guckt mal, da sind die Beckers.«
    Frau Becker und ihr Mann standen schüchtern am Rand, obwohl Frau Martens auf sie einredete und offensichtlich versuchte, sie in den inneren Kreis zu ziehen. Bernie war bei ihnen und
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