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Das Ungeheuer

Titel: Das Ungeheuer
Autoren: Robin Cook
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war, als die außergewöhnlichen Begabungen des kleinen Jungen sich verflüchtigt hatten. Aber jetzt fragte er sich, ob ein normales Kind sich die Gelegenheit entgehen lassen würde, im neuen Pool der Familie schwimmen zu können. Victor hatte beschlossen, zu Trainingszwecken einen Pool anzulegen. Sie hatten ihn an der Rückseite des Hauses in eine Art Treibhaus bauen lassen. Erst einen Monat zuvor waren die Arbeiten fertiggestellt worden.
    Victor entschloß sich, ein Nein als Antwort nicht zu akzeptieren. Er sprang die Treppe hinauf; seine bestrumpften Füße nahmen immer zwei Stufen auf einmal. Lautlos flitzte er den langen Korridor entlang zu VJs Zimmer, das an der Vorderseite des Hauses gelegen war und von dem aus man auf die Zufahrt hinausblickte.
    Wie immer war das Zimmer ordentlich und aufgeräumt; die Encyclopaedia Britannica bedeckte die eine Wand, eine chemische Elemententabelle die andere. VJ lag bäuchlings auf dem Bett, völlig vertieft in ein dickes Buch.
    Victor näherte sich dem Bett auf Zehenspitzen und versuchte zu erkennen, was VJ da las, aber als er in das aufgeschlagene Buch spähte, konnte er nur ein Gewirr von Gleichungen erkennen - kaum das, was er erwartet hatte.
    »Hab' ich dich!« sagte er und packte den Jungen spielerisch am Bein.
    Bei der Berührung sprang VJ hoch, die Hände verteidigungsbereit ausgestreckt.
    »He! Warst du so konzentriert oder was?« fragte Victor lachend.
    VJs türkisfarbene Augen bohrten sich in die seines Vaters. »Tu das nie wieder!« sagte er.
    Einen Augenblick lang durchströmte Victor die vertraute Angst vor dem, was er da geschaffen hatte. Dann stieß VJ einen Seufzer aus und ließ sich auf das Bett zurückfallen.
    »Was, um alles in der Welt, liest du denn da?« wollte Victor wissen.
    VJ klappte das Buch zu, als sei es Pornographie. »Was über schwarze Löcher; ich hab's gefunden.«
    »Stark!« sagte Victor, bemüht, cool zu klingen.
    »Eigentlich ist es nicht besonders gut«, erklärte VJ. »Massenhaft Irrtümer.«
    Wieder überlief es Victor frostig. In letzter Zeit fragte er sich gelegentlich, ob die altkluge Intelligenz seines Sohnes nicht zurückkehrte. Er bemühte sich, seine Sorgen abzuschütteln, und sagte entschlossen: »Hör mal, VJ, wir gehen jetzt schwimmen!«
    Er nahm aus VJs Kommode eine Badehose heraus und warf sie seinem Sohn zu. »Komm - mal sehen, wer schneller ist!«
    Victor ging hinüber in sein eigenes Schlafzimmer, zog seine Badehose an und rief VJ. Der Junge kam den Gang herunter seinem Vater entgegen. Stolz bemerkte Victor, daß sein Sohn für einen Zehnjährigen kräftig gebaut war; zum erstenmal kam ihm der Gedanke, daß VJ ein Athlet werden könnte, wenn er die Neigung dazu verspürte.
    Über dem Pool hing der typische feuchte Chlorgeruch. Das Becken spiegelte sich im Glas der Decke und der Wände; die Winterlandschaft draußen war nicht zu sehen. Victor warf sein Handtuch über die Lehne eines Aluminiumliegestuhls, als Marsha in der Wohnzimmertür erschien.
    »Schwimmst du mit uns?« fragte Victor.
    Marsha schüttelte den Kopf. »Amüsiert euch nur, ihr Jungs! Mir ist es zu kalt.«
    »Wir machen ein Wettschwimmen«, verkündete Victor. »Wie wär's, wenn du als Schiedsrichterin fungierst?«
    »Dad«, wandte VJ klagend ein, »ich will kein Wettschwimmen machen.«
    »Natürlich willst du«, widersprach Victor. »Zwei Runden. Wer verliert, muß den Abfall rausbringen.«
    Marsha trat an den Beckenrand und nahm VJs Handtuch; sie sah ihn an und verdrehte mitleidsvoll die Augen.
    »Willst du die Innenbahn oder die Außenbahn?« fragte Victor in der Hoffnung, den Jungen in sein Spiel hineinzuziehen.
    »Ist mir egal«, sagte VJ, stellte sich neben seinem Vater auf und schaute über den Pool hinweg. Die Umwälzanlage kräuselte den Wasserspiegel ein wenig.
    »Du gibst das Kommando«, sagte Victor zu Marsha.
    »Auf die Plätze, fertig...« Marsha legte eine Pause ein und beobachtete, wie ihr Mann und ihr Sohn auf der Beckenkante wippten. »Los!«
    Marsha trat zurück, um dem aufspritzenden Wasser zu entgehen, und setzte sich dann in einen der Liegestühle.
    Victor war kein guter Schwimmer, aber trotzdem sah sie mit Überraschung, daß VJ in der ersten Runde und bis zur Wende führte. In der zweiten Runde schien er sich dann zurückzuhalten, und schließlich gewann Victor um eine halbe Länge.
    »Kein schlechter Versuch«, sagte Victor prustend und triumphierend. »Willkommen bei der Müllabfuhr!«
    Verblüfft über das, was sie hier miterlebt
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