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Das Rätsel der Fatima

Das Rätsel der Fatima

Titel: Das Rätsel der Fatima
Autoren: Franziska Wulf
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deinen Augen ihren letzten Atemzug machen.«
    Tolui kämpfte mit sich. »Hier, du elender Sohn einer räudigen Hündin«, stieß er schließlich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und öffnete seine Hand. »Hier, nimm dir den Stein.«
    »Nein, mein Freund, für wie dumm hältst du mich?«, erwiderte Ahmad. »Leg ihn auf den Boden, und stoß ihn mit dem Fuß zu mir herüber.«
    Tolui tat es, obwohl Beatrice strampelte und schrie und mit aller Kraft versuchte, sich zu befreien und in die Hand des Arabers zu beißen. Dieser Schuft durfte den Stein nicht bekommen. Sie wusste zwar nicht, weshalb, aber sie spürte, dass es einfach nicht geschehen durfte. Doch ihre Gegenwehr war vergebens. Ahmads Griff wurde nur mit jeder ihrer Bewegungen fester, bis sie schließlich das Gefühl hatte zu ersticken. Dann rollte wieder der Schmerz über sie hinweg. Jener krampfartige Schmerz, der ihr den Atem nahm. Und plötzlich wusste sie, was mit ihr los war. Sie hatte Wehen.
    Jetzt?, schoss es ihr durch den Kopf. Da hast du dir aber den denkbar ungünstigsten Zeitpunkt ausgesucht, um ein Kind zu bekommen.
    Ihr wurde schwarz vor Augen.
    Ahmad bückte sich langsam und bedächtig und hob den Stein auf. Der Sapir funkelte in seiner Hand. Doch Beatrice bildete sich ein, dass sein Licht viel von seiner Wärme, seinem Feuer und seinem Glanz eingebüßt hatte. In der Hand dieses Mannes wirkte der Stein kalt, unfreundlich und sogar gefährlich.
    »So, jetzt hast du, was du willst!«, sagte Tolui. »Nun lass Beatrice frei!«
    »O nein, mein kleiner Freund«, erwiderte Ahmad und lächelte triumphierend. »Ich werde sie mitnehmen – wenigstens ein Stück. Ich muss doch sichergehen, dass du dich an unsere Abmachung hältst und keine Tricks versuchst, um mir den Stein wieder abzujagen.«
    »Du mieses Schwein!«, schrie Tolui. »Das kannst du nicht machen! Sie ist schwanger! Lass sie auf der Stelle frei, oder ich werde dich…«
    »Was wirst du? Mich anspucken? Mich beißen oder kratzen?« Ahmad lachte schallend. »Vergiss nicht, du hast deine Waffen vor dem Eingang zum Grab zurückgelassen.« Er schüttelte belustigt den Kopf. »Welch eine törichte Sitte. Eigentlich hatte ich euch Mongolen für etwas klüger gehalten. Du hättest auf dieses Weib hören sollen.«
    Tolui knirschte mit den Zähnen, ballte die Fäuste – aber er war hilflos.
    »Du…«
    »Ich gehe jetzt. Mit ihr. Doch was mache ich mit dir?« Ahmad runzelte die Stirn und dachte kurz nach. »Du darfst hier zurückbleiben. Ich gewähre dir die Gnade, an der Grabstätte deines Urgroßvaters deinem Onkel ins Jenseits zu folgen. Ja, das ist ein guter Plan. Mein Freund Senge wird begeistert sein.«
    »Du Schuft!«
    »Schuft?« Ahmad hob spöttisch eine Augenbraue. »Diese Ehre haben nicht viele Mongolen vor dir erfahren dürfen. Du solltest mir dankbar sein.«
    »Verflucht sollst du sein!« Tolui zitterte, aber nicht vor Angst. »Du kannst mich umbringen. Und Beatrice. Aber dem Zorn der Götter wirst du nicht entgehen. Eines Tages wird dich deine gerechte Strafe ereilen, und dann wird dein Name aus dem Gedächtnis der Menschen getilgt werden. Sei gewiss, mein Vater wird dich für den Mord an mir und an Beatrice richten!«
    Ahmad lachte wieder. »Wie sollte er? Er wird es nie erfahren.« Er zog Beatrice mit sich. »So lebe denn wohl, Tolui. Ich denke, es wird drei, vier Tage dauern, dann bist du so schwach, dass dich dein Schicksal nicht mehr kümmern wird.«
    Er zerrte Beatrice aus der Grabkammer hinaus und warf sie brutal auf den Boden der Halle der Wächter. Sie stöhnte vor Schmerz und vor Wut. Wenn sie sich jemals gewünscht hatte, dass Märchen wahr werden würden, dann jetzt. Sie hoffte, die Statuen würden zum Leben erwachen. Doch nichts geschah. Der Araber machte die schwere Tür zur Grabkammer zu und schob sogar noch die steinerne Bank davor. Tolui war eingeschlossen. Für immer.
    Ahmad kam zu ihr.
    »Was wirst du mit mir machen?«, fragte sie. »Willst du mich auch hier im Grab zum Sterben zurücklassen?«
    Ahmad schüttelte den Kopf. »Nein, obwohl ich zugebe, dass dieser Gedanke sehr verlockend ist. Aber ich werde dich zu Senge bringen.«
    Beatrice bekam Herzklopfen. Sie hatte Senge nur einmal gesehen – als er sich mit Ahmad unterhalten hatte. Aber was sie über ihn gehört hatte, reichte aus, um Angst vor ihm zu bekommen. »Der Unheimliche« wurde er genannt. Sicher nicht ohne Grund.
    »Zu Senge?«, fragte sie und hoffte, dass Ahmad das Zittern in ihrer Stimme nicht
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