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Das letzte Opfer (German Edition)

Das letzte Opfer (German Edition)

Titel: Das letzte Opfer (German Edition)
Autoren: Petra Hammesfahr
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Möglichkeiten geben, wenn du mit dir selbst nicht klarkommst.»
    In dem Moment hasste sie ihn. Als sie aus dem Wasser stieg und er dabei unentwegt auf den Auslöser drückte, hasste sie ihn so sehr wie nie zuvor einen Menschen. Es war, als hätte er sie geschlagen mit seinem amüsierten Lachen.
    Er hatte Handtücher im Auto. Zum Aufwärmen gab er ihr einen dick gefütterten Jogginganzug, der noch in der Verpackung war. Dann schaute er mit spöttischem Lächeln zu, wie sie den nassen Bikini auszog und in den Anzug schlüpfte. Er war ihr viel zu groß, aber er war warm. Und Marko sagte: «Leben ist doch schöner als sterben, oder?»
    Sie weinte und zitterte noch am ganzen Leib, als er sie zurück nach Sindorf fuhr und seine Hoffnung ausdrückte, sie würde ihn nun endlich in Ruhe lassen.
    Hätte sie vielleicht auch, wenn Norbert nicht so wütend geworden wäre. Er war im Hof damit beschäftigt, sein Wohnmobil zu beladen. Ihre Haare waren noch nass, die Lippen blau, die Augen rot geweint. Und Norbert wollte wissen, warum sie so verfroren und verheult aussah, einen viel zu großen Jogginganzug auf dem Leib und ihre Kleider unter dem Arm trug. Sie erzählte ihm nur, Marko habe Aufnahmen gemacht, und das Wasser sei so kalt gewesen.
    «Aufnahmen?», tobte er. «Im Wasser? Was fällt dem ein? Der spinnt wohl. Guck mal in einen Katalog. Dem werde ich was erzählen.»
    Er fuhr sofort nach Köln, traf Marko jedoch nicht an. Als er zwei Wochen später aus dem Urlaub zurückkam, probierte er es nochmal ohne Erfolg und regte sich weiter auf, bis Karlheinz Anfang Oktober zu Christas Geburtstag nach Hause kam.
    Dann fuhr ihr Vater nach Köln, um Marko zur Rede zu stellen. Als Karlheinz hörte, wie es tatsächlich gewesen war, sah die Sache für ihn anders aus, für Marko auch. Er kam ein paar Tage später nach Sindorf und entschuldigte sich bei ihr in aller Form für sein garstiges Verhalten in den vergangenen sechs Monaten.
    Karlheinz hatte ihm viel erzählt, auch gesagt, sie sei weder rücksichtslos noch karrieresüchtig, sie habe nur viel Pech gehabt. Zuerst der Austauschschüler – oder irgendein anderer, der ein fünfzehnjähriges Mädchen verführte und sich aus der Verantwortung stahl. Dann diese angeblich chinesische Freundin, die ihr ein heimliches Rendezvous im Bergischen Land schmackhaft machte, sie aber wahrscheinlich nur verarschte. Norbert sah es so.
    Ihr Vater spielte damals mit dem Gedanken, sie zu sich zu nehmen und dafür zu sorgen, dass sie in therapeutische Behandlung kam, was Christa für überflüssig hielt. Ihr hatte der Arzt im Krankenhaus erklärt, es dauere eine Weile, eine traumatische Erfahrung zu verarbeiten. Eine Weile! Inzwischen waren es zwei Jahre, höchste Zeit, dass sie kompetente Hilfe bekam, fand Karlheinz. Bei Christa biss er mit seiner Ansicht auf Granit. Ihr war schon der Ausdruck Psychologe suspekt, nur eine andere Bezeichnung für Irrenarzt. Aber wenn er sie zu sich nähme, konnte Christa darüber denken, was sie wollte.
    Es gab nur ein Problem, Karlheinz hatte keine Wohnung, weil seine Einsatzorte ständig wechselten. Früher hatte er in Hotels oder Pensionen gelebt. Nach der Scheidung hatte er sich auch ein Wohnmobil gekauft, das gleiche Modell wie Norbert. Es wäre durchaus Platz gewesen für zwei. Nur wollte er ihr so ein unstetes Leben nicht zumuten und zuerst eine Wohnung suchen.
    Doch wie das bei Karlheinz so war, geschah erst einmal nichts. Und allmählich kamen Karen und Marko sich näher. Es war nicht so, dass sie sich in ihn verliebte. Aber rein äußerlich war er derselbe Typ wie Norbert, das machte ihn ihr vertraut. Vom Gesicht her gab es zwar keine große Ähnlichkeit, doch sie waren beide mittelgroß, schlank und dunkelhaarig, hatten beide ein schmales Gesicht, waren im selben Alter. Vielleicht hatte sie auch deshalb auf dem Kartoffelacker gedacht, da käme ihr Bruder auf sie zugestürzt.

Der Geisterjäger
    Im Frühjahr 1993, als aus Karen und Marko Stichler ein Paar wurde, wenn auch keins im übliche Sinne, maß Thomas Scheib der Lücke 1990 noch keine besondere Bedeutung zu. Bei dem ohnehin großen Zeitabstand mochte der Täter einen Termin übersprungen haben, vielleicht gezwungenermaßen, er konnte in Haft gewesen sein, viele Triebtäter wurden schon früh auffällig. Oder er hatte im September 1990 ein Opfer gefunden, das niemand vermisste, irgendeine Randexistenz.
    Im März sprach er zum ersten Mal mit Doktor Lukas Wagenbach über seine Vermutungen. Wagenbach war ein
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