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Brennendes Schicksal (German Edition)

Brennendes Schicksal (German Edition)

Titel: Brennendes Schicksal (German Edition)
Autoren: Nora Hamilton
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Ich wünsche dir eine gute Nacht.«
    Er hauchte einen Kuss auf Elektras Stirn, unter dem sie vor Abscheu zusammenzuckte, dann richtete er sich auf, nickte den Männern zu und verließ mit hastigen Schritten die Kate. Das Rumpeln einer Kutsche auf Pflastersteinen war das Letzte, was Elektra noch wahrnahm.
    Der Erste der einunddreißig Männer stieß die Achtung vor dem anderen Geschlecht aus ihr heraus und legte den Samen der Lähmung in sie. Der Zweite säte Angst, der Dritte Ohnmacht, der Vierte Entsetzen, der Fünfte nahm ihr den Glauben an die Liebe, der Sechste ließ sie Ekel spüren, der Siebente zeigte ihr, dass sie nicht mehr war als ein Tier. Der Achte stieß den Stolz aus ihr heraus, der Neunte nahm ihr die Würde, der Zehnte die Selbstachtung, unter dem Elften fühlte sie nichts als Schmerz, der Zwölfte nahm sie von hinten und machte sie zu einer Hündin, der Dreizehnte verschloss ihr den Mund, der Vierzehnte ließ sie bluten, der Fünfzehnte hatte Erbarmen und ließ vorzeitig von ihr ab, der Sechzehnte nannte sie Hure, der Siebzehnte zeigte ihr, wie wenig wert ein Mensch doch war, beim Achtzehnten vermischte sich dessen Samen mit ihrem Blut, den Neunzehnten bis Neunundzwanzigsten nahm sie ohne Bewusstsein hin, der Dreißigste aber und der Einunddreißigste nahmen sie gemeinsam, einer von hinten und einer von vorn – und löschten sie aus.
    Als sie Stunden später aus ihrer Ohnmacht erwachte, gab es Elektra nicht mehr. Nichts mehr war von ihr übrig. Die Frau, die blutbeschmiert und geschändet auf dem Bett lag, hatte keine Ähnlichkeit mehr mit der Kurtisane Elektra. Das lange dunkle Haar zeigte plötzlich graue Strähnen. Die braunen Augen waren ohne Glanz, wie blinde Fenster. Grau war das Gesicht, tiefe Falten, vor Stunden noch undenkbar, zogen sich durch die einst makellose Haut. In ihrem Inneren war nichts als Leere. Eine dunkle, schwere Leere, die sie ganz ausfüllte und jegliches Gefühl in ihr erstickte. Auf immer.
    Sie stöhnte, wand sich vor Schmerz, presste die Hände gegen ihren blutenden Schoß, um die Qual darin zu lindern. Doch es gab keine Linderung, gab keinen Trost.
    Sie strich mit der Hand über ihre einstmals prallen Brüste, die jetzt blau geschlagen und gequetscht an ihrem Leib hingen.
    Sie stöhnte wieder, krallte die Hände ins Kissen, drehte sich mühsam um und weinte bittere Tränen, die keine Macht der Welt zu trocknen vermochte. Sie weinte um Elektra, die strahlend schöne, vertrauensselige Kurtisane, für die das Leben freudig und voller Hoffnung gewesen war. Sie beweinte Elektras Tod.
    Als die Tränen endlich versiegt waren, stand sie mühsam auf. Sie blickte an ihren Beinen hinab, auf denen sich Blut und Samen vermischten und an ihr herunter bis auf den Boden liefen, wo sie in kleinen, klebrigen Pfützen endeten. Sie würgte und erbrach sich in das Nachtgeschirr. Ihr kostbares Kleid lag auf dem Boden, einzige Erinnerung an jene Frau, die sie vor Stunden noch gewesen war. Sie stieß es mit dem Fuß zur Seite. Dann schleppte sie sich breitbeinig und unter unseligen Schmerzen in den Hof, betrachtete im Mondlicht ihr Antlitz im Brunnen, als hätte sie sich noch nie vorher gesehen. Und so war es auch. Die Frau, die sich im Wasser spiegelte, gab es erst seit wenigen Stunden. Sie hatte keinen Namen, keine Herkunft, keine Zukunft. Nur eine Vergangenheit, die alles Vorherige ausgelöscht hatte.
    Sie stand da, betrachtete die vernichtete Gestalt und dachte daran, das freud- und trostlose Leben dieser Frau zu beenden. Ein Akt der Gnade wäre der Tod für sie gewesen. Und sie hätte wohl keine Sekunde gezögert, sich in den Brunnen zu stürzen. Doch irgendwo in ihrem Innern keimte eine Erinnerung. Eine schwache Ahnung von weicher Kinderhaut, flaumigen Haaren, klebrigen Küssen, die nach Naschwerk schmeckten, Stimmchen, die nach ihr riefen, Arme, die sich nach ihr ausstreckten. Tränen liefen über ihre Wangen. Und diese heißen Tränen waren das Einzige, was sie in dieser grauenvollen Nacht wärmte.
    »Ich werde leben«, flüsterte die Frau mit rauer Kehle. »Ich werde auferstehen wie Phönix aus der Asche. Elektra ist tot, aber Circe wird aus ihrem Leib neu geschaffen werden. Circe, die griechische Göttin, die Männer in Schweine verwandeln konnte. Circe wird leben, und – ich schwöre bei Gott – sie wird sich rächen. Ich werde mich mit den Feinden meiner Feinde verbünden. Und ich werde meine Kinder wieder sehen. Wenn ich das geschafft habe, dann kann ich in Ruhe diese Welt
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