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Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse

Titel: Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse
Autoren: Ann Benson
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Aussterben bedroht.
    Mit einem Gefühl des Bedauerns legte sie die Kopfhörer weg. Maria Callas würde leider in absehbarer Zukunft nicht wieder auferstehen, ganz gleich, wie sorgfältig die Atmosphäre gereinigt würde oder wie viele Moskitos man ihr zu essen gäbe.
    Wäre trotzdem ein tolles Projekt, sie zurückzuholen, dachte Janie für einen kurzen Augenblick. Sie liegt in Paris begraben …
    Doch gewöhnliche Sterbliche wie sie selbst erhielten keine Visa nach Paris. Und keine Grabungen mehr, hatte ihr Anwalt verlangt. Grabungen bringen Probleme …
    Janie nahm das hartnäckige Telefon aus der Tasche und flüsterte den Wunsch vor sich hin, daß der Anruf von dem betreffenden Anwalt kam und zur Abwechslung mal gute Nachrichten brachte. Sie klappte d en Apparat auf und sagte mit der etwas gepreßten Stimme, an der das Gerät sie zu identifizieren gelernt hatte: »On.« Dann fügte sie ein freundlicheres »Hallo?« hinzu. Aus dem Hörer ertönte die vertraute, ziemlich erschöpft klingende Stimme von Rechtsanwalt Tom Macalester, und Janie atmete auf: Endlich.
    »Du bist im Freien …«, stellte er fest, nachdem sie sich begrüßt hatten. »Vögel!«
    »Richtig. Ich stutze ein paar Büsche, die glauben, sie wären auf einmal in Florida. Sie mögen diese Hitze, sehr viel lieber als ich jedenfalls – ich schlaffe ab, und sie sind selig.« Mit einem leisen Puhhh ließ sie sich in einen Liegestuhl sinken. »Aber deine Stimme macht deutlich den Eindruck, daß du wegen irgendwas ganz und gar nicht selig bist«, gab sie von sich, als sie saß. »Du klingst – bestürzt.«
    »Und ich war wild entschlossen, mir nichts anmerken zu lassen.«
    Auf dem Bildtelefon im Haus hätte sie sicher gesehen, daß er die Stirn runzelte. Am Handy konnte sie es seiner Stimme anhören.
    »Das schaffst du vielleicht bei Geschworenen, Tom, aber ich kenne dich zu gut.«
    »Ach, wirklich?« meinte er sarkastisch. »Weswegen wünsche ich mir dann immer, wir würden uns auch nur ein bißchen besser kennen?«
    Mit einem resignierten Kichern antwortete sie: »Es gibt nur eine Art, wie wir uns besser kennenlernen könnten, als es bereits der Fall ist.«
    Er lachte. »Bei dir oder bei mir?«
    »Okay, jetzt hörst du dich schon normaler an.«
    »Na schön.« Er machte eine Pause und holte Luft, und als er wieder sprach, war sein Ton wesentlich ernster. »Ich habe vom Komitee für Wiederzulassung Nachricht. Wegen deines Antrags.«

    Janie hatte recht gehabt. Er war unglücklich, und nach sehr kurzer Zeit hatte er sie angesteckt. Sie arbeitete lange als ziemlich erfolgreiche Neurologin, bevor es zu den Ausbrüchen kam – als die bösartige Krankheit MR SAM (ein Akronym für den Medikamenten-Resistenten Staphylococcus Aureus Mexicalis, geprägt von einem cleveren Journalisten, der sich später zu Tode trank) ihre Ladung Elend über eine unvorbereitete Welt ausgoß.
    Wie hätte irgend jemand das wissen oder vorbereitet sein sollen? Es überstieg jegliche Vorstellungen von Horror. Mit halbem Ohr hörte sie zu, wie Tom die gesetzlichen Vorschriften zu ihrem Antrag auf Wiederzulassung in dem Beruf herunterbetete, den sie einst ausgeübt hatte. Eine Szene vom Vortag kam ihr kurz in den Sinn, während Tom mit überaus einfühlsamer Stimme dieselben Ablehnungsgründe, die sie schon kannte, abermals wiederholte. So schonend er ihr die Mitteilung auch beizubringen versuchte, sie wurde ihr jedesmal verhaßter. Und so schob sie sie in den Hintergrund ihrer Gedanken, zusammen mit der Erinnerung an Polizeiautos, die sich um einen Müllcontainer auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt scharten, grüne Bioschutzanzüge, grünes Absperrband und dann, als sie langsam mit heruntergekurbeltem Fenster vorbeifuhr, die Stimme eines Polizisten, die in ein Handy bellte: »Sagt jemandem, daß sie die Zähler abstellen sollen.«
    Sie wußte, welche Zähler er meinte. Diese waren schon einmal abgestellt worden – der erste Schritt im Laufe der Ereignisse, die zu dramatischen Veränderungen ihres Lebens geführt hatten. Sie war eine gute Mutter, eine liebevolle Ehefrau und ein zufriedener Mensch gewesen, der noch viel vor sich hatte. Aber anschließend verlor sie alles – zuerst ihre Familie durch die Krankheit selbst, dann den Beruf, den sie bei der erzwungenen Neuordnung der Medizin in den ersten vier Jahren nach den Ausbrüchen aufgeben mußte. Darauf folgte die verhängnisvolle Reise nach London, die eigentlich der erste Schritt auf dem Weg zu einer neuen und befriedigenden
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