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2352 - Griff nach Drorah

Titel: 2352 - Griff nach Drorah
Autoren: Unbekannt
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herausgeschleudert, von halbmeterlangen Glasspeeren durchbohrt und von der Glut verbrannt worden.
    Jere suchte unter dem Armaturenbrett und fand einen Handscheinwerfer. In der schwelenden Stille des Todes tastete er sich zurück ins Lokal, löste die Maske von Solinas Schultern und richtete den Handstrahler in ihr Gesicht. Ihre Augen, die ihn noch vor einer halben Stunde angeblitzt hatten, standen offen. Die goldfarbenen Einschüsse in der Iris waren stumpf geworden.
    Solina Tormas, Historikerin für lemurische Geschichte und mit ihm befreundet, war tot. Er vergewisserte sich. Kein Zweifel.
    Aus den Mundwinkeln sickerten dünne Blutfäden.
    Er schleppte die Tote ins Freie. „Und nun", sagte Jere tan Baloy leise, „kann ich dich nicht einmal richtig begraben, liebste Freundin." Er nahm behutsam die wenigen Teile ihres persönlichen Besitzes an sich und schob sie in eine seiner halb versengten Taschen. „Aber ich werde versuchen, dich zu rächen. Das hier alles ...", er würgte und kämpfte mit seinen Tränen, „ist noch lange nicht vorbei." Er schleppte ihren Körper bis zu einem der glaslosen, verformten Fenster und häufte Mauertrümmer, Glasreste und leidlich unversehrte Tücher aus dem Lokal über ihren ausgestreckten Körper. Zwischen dem Wust aus zerstörten Dingen fand er eine halb verschmorte Blume und legte sie behutsam auf ihre Brust.
     
    *
     
    Mit knapp 60 Jahren war sie eine junge Frau.
    Rund zwei Meter Größe - es fehlten zwei Zentimeter, die noch nie jemand nachgemessen hatte - machten sie zu einer schlanken, hochgewachsenen Frau, die auf allen 96 bewohnten Planeten des akonischen Reiches als „schön" bezeichnet würde. Dass sie nicht in den Armen eines - angemessen jungen, aufregend aussehenden, faszinierenden, klugen und anspruchsvollen - Akonen lag und in vollen Zügen Zärtlichkeit, aufregende Gespräche, exzellente Getränke und heiße Leidenschaft genoss, lag nicht an ihr.
    Es lag an der schlimmen Zeit seit der erzwungenen Landung der LASTOÓR. Es lag am Winter und Frühling des absoluten Missvergnügens. An der erzwungenen Tatenlosigkeit, der Langeweile in kosmischer Größe, der trostlosen Situation.
    Eines fernen Tages, dachte sie zum vielleicht hundertsten Mal, werde ich, als ausgebildete und erfolgreiche Archäologin, die Reste finden, die von der Terminalen Kontrolle stammen. Keine Fundamente, nein. Keine im Feuer gebackenen Tontäfelchen. Keine lemurischen Schriften mit Majuskeln und Bedeutungschiffren. Nein: Knochen von Mor'Daer Verschmorte Reste von Traitanks. Keine Edelstahlplatten, in die jene Artikel der TRAITOR-Direktive eingeschmolzen sind. Eure Reste. Unbedeutend. Staub im Angesicht der kosmischen Ewigkeit. Ich werde eure Reste ausgraben und den kommenden Generationen der Akonen sagen: Ich, euer Lehrer war dabei, als wir sie vertrieben, zerfetzt, niedergemacht und bis zur absoluten Bedeutungslosigkeit bekämpft haben.
    Aber zuvor werde ich schildern müssen, dass ich und etliche Milliarden Akonen hoffnungslose, chancenlose Opfer der Terminalen Kolonne gewesen sind.
    Wahrscheinlich werde ich von Schwindel erregenden Zahlen reden müssen; von unzähligen Toten und dem Verlust von Werten, die nicht mehr rekonstruierbar sind.
    Außer in der Erinnerung von Zeitzeugen, wie ich einer war: Ameda stand auf. Sie trug einen Aufsehen erregenden Einteiler, dessen Zufallsgenerator ununterbrochen, aber in unregelmäßigen Zeitintervallen transparente Flächen schaltete. In den Ohren klebten Minilautsprecher, aus denen uralte akonische Kompositionen in hochmodernen Bearbeitungen säuselten, hämmerten und dröhnten. Bis gerade eben hatte Ameda Fayard sich auf einer Liege aus weicher Formenergie am Rand des großen Swimmingpools gesonnt. Das hohe Glas, das noch vor zehn Minuten einen vielfarbig gestuften Erfrischungsdrink enthalten hatte, war leer. Leer war auch der Pool im zwanzigsten Stockwerk ihrer Wohnanlage. Da war kein gutaussehendundsoweiter Akone.
    Ameda zog die Lautsprecher aus ihren zierlichen Ohren, erinnerte sich flüchtig der Abenteuer an nächtlichen Pools und nahm einen langen Anlauf. Sie hechtete ins Wasser, tauchte siebzehn Sekunden lang und schwamm dann, jeweils nach fünf langen Bahnen den Stil wechselnd, wie eine Rasende fast eine Stunde lang.
    Die Erschöpfung vertrieb ihre Erinnerungen an amouröse Hochglanz-Nächte und sämtliche Gedanken an junge. leistungsfähige Akonen. Sie kletterte aus dem Wasser, stellte sich unter die warme Dusche, ließ sich von duftenden
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