Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
machte ihn stutzig. Er betrachtete sie aufmerksam und verwundert.
    »Was ist?«, fragte sie.
    Er stand auf. »Ich muss mich umziehen.«
    Sie sagte: »Ich hole dir frische Sachen«, und ging in Richtung Musikzimmer und zu seinem Schlafzimmer, das dahinter lag.
    »Was willst du anziehen? Levi's? Einen Pulli? Du hast Recht. Du musst dich dringend umziehen.« Und als er aufstand, rief sie:
    »Ich hol die Sachen. Warte, Gideon. Wir müssen erst noch reden. Ich muss dir erklären -« Sie brach ab. Sie schluckte so laut, dass er es hörte, obwohl er anderthalb Meter entfernt war. Es war ein Geräusch wie von einem gestrandeten Fisch, kurz bevor er den Geist aufgibt.
    Gideon blickte an ihr vorbei und sah, dass im Musikzimmer kein Licht brannte. Er empfand es wie eine Warnung, obwohl er nicht hätte sagen können, weshalb. Er bemerkte jedoch, dass Libby ihm den Weg in das Zimmer versperrte, und machte einen Schritt zur Küchentür.
    Libby sagte hastig: »Eines musst du wissen, Gideon, du bist für mich die absolute Nummer eins. Und ich hab mir Folgendes gedacht. Also, ich hab mir gedacht, wie kann ich ihm helfen - wie kann ich uns helfen, damit wir ein echtes Wir sein können. Denn das ist doch nicht normal, dass wir zusammen sind, aber in Wirklichkeit doch nicht zusammen, oder? Und es wäre für uns beide total gut, wenn wir - du weißt schon. Schau mal, du brauchst es, und ich brauch es auch. Ich meine, dass wir die sein können, die wir wirklich sind. Und wir sind, wer wir sind. Wir sind nicht das, was wir tun. Und die einzige Möglichkeit, dir, na ja, du weißt schon, dir das zu zeigen, damit du es endlich siehst und verstehst - denn mein ganzes Gerede hat's ja nicht gebracht, und das weißt du selber - und darum wollte ich -«
    »O Gott! Nein!« Gideon drängte sich an ihr vorbei, stieß sie mit einem unartikulierten Aufschrei zur Seite.
    Er tastete nach der nächstbesten Lampe im Musikzimmer. Er knipste sie an.
    Er sah es. Die Guarneri - das, was von ihr übrig war - lag neben dem Heizkörper. Ihr Hals war gebrochen, der Schallkörper zerschmettert, die Seitenwände in Stücke zerlegt. Der Steg war in der Mitte durchgeknickt, die Saiten waren um die Überreste des Halses gewickelt. Unversehrt war nur die vollkommen geformte Schnecke, elegant geschwungen, als wartete sie auf die Finger des Geigers.
    Libby redete hektisch und schrill hinter ihm. Gideon hörte die Worte, aber er verstand sie nicht. »Du wirst es mir danken«, sagte sie. »Vielleicht nicht jetzt, aber später bestimmt. Das schwör ich dir. Ich hab's für dich getan. Und jetzt, wo sie endlich aus deinem Leben verschwunden ist, kannst du -«
    »Niemals«, sagte er zu sich selbst. »Niemals.«
    »Niemals, was?«, fragte sie, und als er sich der Geige näherte, vor ihr niederkniete, das Holz berührte, dessen Kühle sich mit der Hitze mischte, die in seine Hände strömte, sagte sie mit schallender, emphatischer Stimme: »Gideon? Hör mir zu. Es ist okay. Es wird alles gut. Ich weiß, dass du jetzt wütend bist, aber du musst doch einsehen, dass es die einzige Möglichkeit war. Du bist jetzt von ihr befreit. Du bist frei. Du kannst derjenige sein, der du bist, viel eher als der Typ, der Geige spielt. Du warst immer mehr als dieser Typ, Gideon. Und jetzt kannst du es erfahren und wissen, wie ich.«
    Die Worte prasselten auf ihn ein, aber er nahm nur den Klang ihrer Stimme wahr. Und dahinter war das Brausen der Zukunft, die über ihm zusammenschlug wie eine Flutwelle, schwarz und gewaltig. Er war machtlos, als sie ihn überwältigte. Er wurde von ihr gepackt, und alles, was er wusste, reduzierte sich in diesem Moment auf einen einzigen Gedanken: Das, was er wollte und was er geplant hatte, war ihm verwehrt worden. Wieder einmal. Wieder einmal.
    Er schrie laut: »Nein!« und »Nein!« und »Nein!« Er sprang auf.
    Er hörte Libbys Aufschrei nicht, als er sich auf sie stürzte. Er prallte gegen sie, fiel mit seinem ganzen Gewicht auf sie und riss sie mit sich zu Boden.
    Sie schrie: »Gideon! Gideon! Nein! Hör auf!«
    Aber die Worte bedeuteten nichts, weniger als »Schall und Wahn«. Seine Hände umfassten ihre Schultern - wie damals.
    Und er drückte sie nieder.

DANKSAGUNG
    Ohne die hilfreichen Beiträge einiger Menschen in den Vereinigten Staaten und England hätte ich ein Projekt dieses Umfangs in dem von mir geplanten Zeitraum nicht fertig stellen können.
    In England möchte ich Louise Davis, der Direktorin des Norland College, danken. Sie gab mir die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher